Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
ungeschickte Art, das Glück einzufangen, anstatt sich mit ihrer Erkrankung intensiver auseinanderzusetzen und Ursachenforschung zu betreiben. Schnell war ihr klar geworden, dass sich das Glück nicht einfangen und wegsperren ließ. Man musste ihm tief in seinem Inneren Raum geben, damit es sich ausbreiten und aus einem zarten Pflänzchen ein stabiler Baum werden konnte. Leider kam ihre Erkenntnis zu spät.
„Wie schlimm ist es?“ Susanne lehnte die Zigarette ab, die ihr Max, ein flüchtiger Bekannter, der neben ihr stand, anbot. Er hatte beobachtet, wie nervös sie auf einmal wirkte, was dazu führte, dass sie anfing, ihre Finger zu kneten.
„Danke, Max, aber ich habe vor zwei Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Seitdem fühle ich mich nicht mehr so müde und erschöpft wie vorher. Also möchte ich auch nicht die eine rauchen, die mich vielleicht wieder in Versuchung führen könnte.
Sie wiederholte die Frage, die sie Leng gestellt hatte.
„Wie ich gehört habe, verträgt sie die Chemotherapie nicht besonders gut“, antwortete dieser.
„Ist sie denn im Krankenhaus?“
Leng schüttelte den Kopf. „Sie ist immer nur für zwei Tage dort. Seit Mittwoch ist sie wieder zu Hause.“
„Vielleicht werde ich sie anrufen“, überlegte Susanne.
„Dann erwähne bloß nicht, dass du von mir irgendwelche Informationen bekommen hast, weil sie dann sofort wissen wird, wer die an mich weitergegeben hat.“
„Karin?“
Leng bestätigte die Vermutung mit einem Kopfnicken. „Sie ist ihre beste Freundin. Ich möchte keinen Streit zwischen den beiden provozieren, aber Karin muss sich halt auch manchmal jemandem anvertrauen können.“
„Wahrscheinlich hätte sie das Thema noch weiter beschäftigt, wären in diesem Moment nicht Klaus und Ulrike aufgetaucht. Letztere brachte fast immer gute Laune mit. Obwohl man sich mit ihr über jedes Problem unterhalten konnte, vertrat sie den Standpunkt, nicht Stunden lang über Dinge zu diskutieren zu wollen, die nicht zu ändern waren. Sie genoss es, in ihre Stammkneipe zu gehen, dort Freunde wie Susanne, Prado und Leng zu treffen, sich auszutauschen, zu lachen. Grübeln konnte sie auch daheim.
„Habt ihr heute den Witz auf der Titelseite vom Express gelesen?“ Die Frage, die von den Angesprochenen verneint wurde, stellte sie, nachdem sie alle mit einer herzlichen Umarmung begrüßt hatte.
„Moment.“ Sie griff nach dem Zeitungshalter, der neben dem Zigarettenautomaten hing, strich die Seite glatt und las vor: „Wie nennt man einen Mann, der neunzig Prozent seiner Denkfähigkeit verloren hat? - Witwer.“
Die Worte lösten bei den umstehenden Männern verhaltenes Schmunzeln aus, aber lautes bis gackerhaftes Lachen bei den Frauen.
„Was ist? Hat dir der Witz etwa nicht gefallen?“ Ulrike stupste Harald, einen an der Theke stehenden Gast, leicht mit dem Ellbogen an. „Oder muss ich ihn dir erst erklären?“
Diese Bemerkung führte zu großen Heiterkeitsausbrüchen, außer bei dem Angesprochenen selber, der ein Gesicht machte, als wolle er Ulrike erwürgen, was ihm aber schwerlich gelungen wäre, da sie ihn um zwei Köpfe überragte. Mit ihrer ruhigen Art gelang es ihr dann schnell, Harald zu besänftigen.
„Kannst du mir die Zeitung mal rüber geben?“ fragte Susanne Leng, auf dessen Schoß sie inzwischen gelandet war. Er reichte sie ihr, und sie fing an, aufmerksam darin zu lesen.
„Gibt es etwa irgendetwas Interessantes in diesem Käseblatt?“ erkundigte sich Prado.
„Ob Käseblatt oder nicht“, mischte sich Leng ein. „Bei der Verbreitung von lokalen, für alle verständliche Nachrichten, gibt es kein besseres.“
„Ich kenne diese Frau“, sagte Susanne schließlich und zeigte auf das Foto von Klara Burghausen.
„Du kennst sie?“ tönten Leng und Prado fast gleichzeitig.
„Natürlich kenne ich sie nicht, weil ich ihr ja vorher noch nie begegnet bin, aber ich habe sie am Donnerstagabend im Cinedom gesehen.
„Bist du ganz sicher?“ Prado schien seine Zweifel zu haben.
„Natürlich bin ich sicher.“ Ihre Antwort ließ durchblicken, wie wenig sie es schätzte, wenn ihr Urteilsvermögen in Frage gestellt wurde.
„Und wieso bist du so sicher?“ hakte Prado nach.
Leng, der einen Ehestreit heraufziehen sah, unternahm einen Schlichtungsversuch. „Das Foto ist doch relativ klar und deutlich. Warum sollte Susanne sich also irren?“
„Ja, warum sollte ich das?“ wiederholte sie schnippisch.
Prado legte besänftigend die Arme um die Schultern
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