Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
seiner Frau. „Ich stelle doch gar nichts in Frage, aber diese Burghausen hat uns gegenüber eine Aussage gemacht, der zufolge sie sich ganz woanders aufgehalten hat und zwar weit von Köln entfernt.“
„Dann lügt sie eben.“
„Warum ist sie dir denn überhaupt so nachhaltig in Erinnerung geblieben?“ fragte Leng nach, weil er an weiteren Details interessiert war.
„Zuerst einmal trug sie ausgesprochen teuere Kleidung und unterschied sich deshalb schon von den normalen Kino-gängern. Und dann hatte ich den Eindruck, als ob sie sich versteckte.“
„Versteckte?“ fragte Leng, der nicht so ganz verstand, was sie damit sagen wollte.
„Ja, versteckte. Normalerweise siehst du ein Gesicht, verlierst es aus deinem Blickfeld und vergisst es sofort wieder. Wenn es einen interessanten Eindruck hinterlassen hat, beschäftigt es dich vielleicht auch länger. Sie hingegen…“ -Sie tippte auf das Foto- „…versuchte möglichst unauffällig zu wirken und fiel dadurch erst recht auf. Mir jedenfalls.“
„Und wie äußerte sich dieses Verstecken?“
„Sie ging nie gradlinig von einem Punkt zum anderen. Ich hatte das schon im Eingangsbereich bemerkt, als ich an der Kasse anstand, um eine Karte zu kaufen. Sie tat das nicht, weil sie entweder schon eine besaß oder gar nicht vorhatte, eine zu kaufen. Auf der zweiten Ebene sah ich sie dann wieder. Sie lief nicht mitten durchs Foyer, sondern immer in der Nähe von Säulen, frei stehenden Plakatwänden oder in einem Pulk von Menschen, in dem sie sich verbergen konnte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie jemanden beobachtete.“
„Du weiß aber nicht, wer das gewesen sein könnte?“
Susanne reagierte auf die Frage mit einem Lächeln. „Du bist kein Kinogänger, Wilfried, sonst könntest du dir die Frage selbst beantworten. An Donnerstagen wechselt das Programm und gleich mehrere neue Filme laufen an. Wenn auch nur einer darunter ist, der von der Presse vorab bejubelt wurde oder einer, der zuvor schon im Ausland für volle Säle gesorgt hat, ist im Cinedom die Hölle los. Mich hat das aber auch nicht wirklich interessiert. Ein Spürhund in der Familie reicht vollständig aus.“ Mit diesem abschließenden Satz gab sie unmissverständlich zu verstehen, dass das Thema für sie damit beendet war.
10
Es nieselte leicht, als Leng auf sein Fahrrad stieg und in Richtung Riehl losfuhr, wo er um elf Uhr mit Prado verabredet war. Sie würden Klara Burghausen mit den neuen Erkenntnissen konfrontieren und beobachten, wie sie darauf reagierte. Angemeldet hatten sie sich wieder nicht, weil die beiden Kommissare verhindern wollten, dass sich die Ehefrau des Toten irgendeine Geschichte zusammenstrickte, wenn sie erneut auftauchten.
Schon nach wenigen hundert Metern schwitzte er unter seinem Regencape. Das Thermometer hatte zehn Grad angezeigt, und die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Bevor er pitschnass war, zog er es aus, klemmte es unter den Bügel des Gepäckträgers und nahm es in Kauf, ein wenig Regen abzubekommen. Er hoffte auf einen raschen Wechsel, da in der Wettervorhersage für den frühen Nachmittag Sonnen-schein angekündigt worden war.
Leng verzichtete darauf, die Abkürzung durch die Parks zu nehmen, weil er befürchtete, der Boden könnte an einigen Stellen matschig und ein Wegrutschen die mögliche Folge sein. Eine Vernehmung im Dreckmantel würde nicht nur lächerlich aussehen, sondern wohlmöglich seine Autorität untergraben.
Dieses Mal wartete Prado noch nicht auf ihn, als er in die Franz-Müller-Allee einbog. Auch fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt stand Leng noch immer allein auf der Straße. Er wollte gerade sein Mobiltelefon aus der Tasche nehmen, da kam ein Taxi die Straße hochgefahren, aus dem der Kommissar herauskletterte.
„Entschuldigung“, schnaubte er wütend. „Irgend so ein Idiot hat mich zugeparkt.“
Leng betrachtete seinen Kollegen eingehender: die Kratzer am Hals, die vom Rasieren herrührten, die Ringe unter den Augen und das nach dem Duschen noch nicht vollständig getrocknete Haar. „Seid ihr gestern noch lange im Spitz geblieben?“
„Wir sind nur wenige Minuten nach dir gegangen. Abgestürzt bin ich dann zu Hause“, erklärte Prado grinsend. „Wir haben lecker zu Abend gegessen, Entenbrust in Marsala und Speckbohnen. Natürlich gab’ s dazu ein oder zwei Gläser Rotwein. Später haben Susanne und ich es uns im Wohnzimmer bequem gemacht und eine DVD von einem Frank-Zappa-Konzert angeschaut. Das eine oder
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