Unter die Haut: Roman (German Edition)
ein gewisses masochistisches Vergnügen dabei empfunden, ihn im Stillen zu quälen. Es war ein Spiel mit dem Feuer. Sie wusste genau, dass er wütend war, spürte seinen Zorn über den ganzen Raum hinweg. Was sie aber nicht davon abgehalten hatte, weiter mit Tyler zu flirten. Im Gegenteil, sie hatte rachsüchtige Befriedigung daraus gezogen und ein Gefühl von Macht empfunden, als ihr klar wurde, welche Wirkung ihr Tun auf Vincent hatte.
Mittlerweile hatte es allerdings seinen Reiz verloren. Sie suchte die Konfrontation, wollte nicht nur passiv herumsitzen. Außerdem war es anstrengend, so zu tun, als wäre er nicht da, während sie gleichzeitig versuchte, aus dem Augenwinkel jede seiner Reaktionen zu beobachten.
Hätte sie nur nicht so viel getrunken! Sie brannte auf eine Auseinandersetzung, wollte sich andererseits aber nicht zum Idioten machen, und sie war noch nüchtern genug, um sich bewusst zu sein, dass das durchaus im Bereich des Möglichen lag, bedachte man, dass ihre Gefühle gerade eine Achterbahnfahrt hinlegten. Sie hatte völlig die Kontrolle über sie verloren, und das gerade jetzt, wo es so wichtig war, rational zu agieren, egal was kam. Sie wollte ruhig und wortgewandt erscheinen und hatte Angst, dass sie stattdessen hysterisch werden und zu schreien anfangen würde.
Sie saß starr da, während sie beobachtete, wie Vincent näher kam. Sie wollte keinesfalls weinen. Sie würde ihn umbringen, wenn er sie dazu brachte.
Scheiße, Scheiße, Scheiße! Tyler Griffus holte tief Luft, setzte sich stocksteif hin und sah mit einer Art fatalistischer Resignation zu, wie der Detective auf ihren Tisch zusteuerte. Wie zum Teufel hatte es so weit kommen können?
Egal – entscheidend war, dass es dazu gekommen war. Und er war entschlossen, in Würde unterzugehen, wenn es denn sein musste. Aus der Tür zu stürzen würde ihm nichts bringen. Er war einfach nicht für ein Leben auf der Flucht geschaffen, warum sich also lächerlich machen? Unnachgiebig brachte er den leise murrenden Jäger in seinem Innern dazu, still zu sein. Halt jetzt bitte deine verdammte Klappe.
Er versuchte nicht daran zu denken, was sie im Gefängnis mit ihm anstellen würden. Jeder wusste, dass Knackis Vergewaltiger nicht mochten. Die einzige Form von Leben, die sie für niedriger als andere hielten, waren Männer, die Kinder missbrauchten.
Verdammt, sie mussten doch verstehen, dass die Frauen immer darum gebeten hatten. Er würde es ihnen erklären. Irgendwie würde er das schaffen.
Mit stoischer Miene und hoch erhobenen Hauptes saß er da und blickte den Detective an, als er an ihren Tisch trat. In den schwarzen Augen des Cops stand Feindseligkeit geschrieben, als er sich mit einer Hand auf den Tisch stützte und nach vorne beugte, ohne den Blick von ihm zu wenden. An seinem Kiefer begann ein Muskel zu zucken, und die dichten Augenbrauen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen. Sein Abscheu war unverkennbar. Seine Augen verrieten seine Wut, und der Wunsch, jemand anderem Schmerz zuzufügen, war unverkennbar. Aber dann wandte er sich von ihm ab.
Und streckte die Hand aus, um Ivys Kinn damit zu umschließen. Sanft drehte er ihren Kopf zu sich, so dass sie ihn ansehen musste.
»Wir müssen miteinander reden, Ivy«, sagte er. »Lass uns nach Hause gehen.«
18
Nach Hause? Diese beiden Wörter hatten Konnotationen, die einige der am Tisch versammelten Leute abrupt verstummen ließen.
Ivy war die Erste, die sich wieder erholt hatte. »Und wo soll das sein, Vincent?«, fragte sie kampflustig und schob seine Hand weg. »Etwa bei dir?«
Vincent wurde rot. »Es war falsch von mir, dich deswegen so anzufahren«, gab er mit leiser Stimme zu, und er hätte noch weitergesprochen, wenn die anderen ihn nicht unterbrochen hätten.
»Bei ihm?«, riefen Sam und Davis beinahe wie aus einem Munde, und Davis fuhr fort: »Was soll das heißen, Ivy? Lebst du etwa mit diesem Clown zusammen?«
»Ja!«, antwortete Vincent in aggressivem Ton. Er wandte sich Ivys Cousin mit einem Gesicht zu, dem die Frage abzulesen war, was ihn das eigentlich anging.
»Nein, nicht mehr«, sagte Ivy, kaum hatte er den Mund zugemacht.
»Bitte, Ive«, protestierte Vincent, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder ganz auf sie. »Sei nicht so. Ich weiß, ich habe mich vorhin wie der letzte Idiot benommen, und es tut mir Leid. Aber bitte gib mir noch eine Chance. Wenn du keine Lust hast, gleich nach Hause zu gehen, könnten wir vielleicht irgendwo anders hingehen, wo
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