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Unter die Haut: Roman (German Edition)

Unter die Haut: Roman (German Edition)

Titel: Unter die Haut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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keiner Fliege etwas zuleide tun. Sie hatte ihn gelehrt, dass das äußere Erscheinungsbild nichts zu bedeuten hatte. Dem Durchschnittsmann konnte ihr Äußeres vielleicht verbergen, dass es im tiefsten Inneren jede von ihnen wollte, aber er wusste um ihre verborgenen, geheimen Sehnsüchte.
    Er hatte gesehen, wie sich ihr Gesicht im Mondlicht veränderte. Es hatte einen gierigen Ausdruck angenommen, wie das eines Schakals, während sie ihn mit Obszönitäten überschüttet hatte und ihn dazu gebracht hatte, gewisse Dinge mit ihr zu tun, mit ihren Freundinnen. Er war damals noch relativ jung gewesen, aber immerhin alt genug, um eine Erektion zu haben, und das eine Mal, als er sich geweigert hatte, hatte sie ihn ins Gesicht geschlagen und gesagt, er solle sich nicht so haben. Oh, wie hatte sie gelacht und sich über ihn lustig gemacht und ihn gedemütigt. Und die ganze Zeit über hatte der Vollmond unbarmherzig in das Gewächshaus geschienen, wie ein Scheinwerfer, der den beruhigenden Schleier der Nacht zerriss.
    Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Der Dämon in ihm schlief, seine Stimme war endlich verstummt, und das sollte möglichst lange so bleiben. Er wollte lieber an die Ärztin denken. Sie hatte ihn getröstet und ihn von der Wut befreit, genauso wie Tante Flo es immer getan hatte.
    Und er musste sich etwas wirklich Nettes für sie einfallen lassen, um ihr seine Wertschätzung zu zeigen.
     
    »Bingo.« Vincent hängte den Hörer ein und fing über die beiden Schreibtische hinweg Keiths fragenden Blick auf. Er grinste und tippte mit dem Zeigefinger auf das Blatt Papier, auf dem er sich ein paar Notizen gemacht hatte. »Das war das Krankenhauslabor – sie haben mir im Fall Dehalla gerade ein paar Beweise geliefert, die die Anklage untermauern.«
    »Der Typ, der zuerst mit der Frau ausgegangen ist und sie dann vergewaltigt hat?«
    »Ja. Sie hatte ihn noch auf einen Kaffee zu sich eingeladen, nachdem sie gestern den Abend miteinander verbracht hatten, und sie sagt, dass er sich auf sie gestürzt und ihr Nein einfach nicht akzeptiert hat. Sie beharrt darauf, dass es eine Vergewaltigung war. Er wollte noch nicht einmal bekennen, dass sie in gegenseitigem Einverständnis Sex miteinander hatten, sondern behauptete steif und fest, sie hätten überhaupt nichts miteinander gehabt, und es gab keine äußeren Zeichen von Gewalt, die ihre Aussage bestätigt hätten.« Mit einem grimmigen Lächeln tippte er erneut auf seinen Notizzettel. »Aber im Labor haben sie Spermaspuren gefunden. Da zehn Minuten nach dem Zeitpunkt, zu dem sie sich nach übereinstimmender Aussage getrennt haben, eine Streife vor ihrer Tür stand und eine Freundin sie zur Untersuchung ins Krankenhaus fuhr, sobald die Streifenpolizisten ihre Anzeige aufgenommen hatten, sieht es so aus, als ob der Junge gelogen hat.«
    Er streckte sich zufrieden. Es war Dienstagnachmittag, und er fühlte sich ausgesprochen gut, was nicht nur an der ungewöhnlich schnellen Aufklärung des Falls lag – das war lediglich der Sahnetupfer obendrauf. Seine Zufriedenheit rührte zum größten Teil daher, dass er seine Hormone wieder im Griff hatte und dass sein Verstand wieder einwandfrei funktionierte.
    Es hatte ihn wesentlich mehr Energie gekostet, als er zunächst angenommen hatte. Er musste am Wochenende mehr Gewichte stemmen und mehr Kilometer laufen, um sich abzulenken, aber schließlich war es ihm gelungen, all die unerwünschten Bilder aus seinem Kopf zu verbannen. Alles ging wieder seinen gewohnten Gang.
    Jetzt war es kurz vor Feierabend, und seine Kollegen um ihn ergingen sich in Plänkeleien. Vincent hörte den hin und her fliegenden Anzüglichkeiten mit halbem Ohr zu, während er die Festnahme des Vergewaltigers veranlasste. Hin und wieder warf er auch selbst eine sarkastische Bemerkung dazwischen und musste ein paarmal laut lachen.
    Für einen Außenstehenden musste es so aussehen, als wären sie allesamt abgebrüht und gefühllos, vielleicht sogar grausam. Glücklicherweise waren im Augenblick keine Außenstehenden anwesend, die sie belauschen konnten. Und derbe Scherze – je deftiger, desto besser – waren tatsächlich ein geeignetes Ventil, um Dampf abzulassen, eines, das sie alle regelmäßig nutzten.
    Abgesehen von Mord wurde Vergewaltigung als das schlimmste Verbrechen betrachtet, das man einem anderen Menschen antun konnte, und der Hälfte der Opfer zufolge, mit denen er jemals zu tun gehabt hatte, ließ sich darüber streiten, was schlimmer war. Die

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