Unter die Haut: Roman (German Edition)
mir Leid, aber ich muss los.« Er umfasste ihre Brust und biss zart in die Brustwarze, die sich durch den Stoff abzeichnete. »Ich will nicht, Ivy, aber ich muss.« Und damit zog er seine Hand zurück und richtete sich auf. Dann küsste er sie noch einmal, ein kurzer, fester Kuss, und sagte: »Ich ruf dich an«, und noch bevor sie wieder zu Atem gekommen war, drehte er auf dem Absatz um und verschwand in seiner Wohnung.
Sie verfluchte abwechselnd ihn und sich selbst, als sie jetzt von Zimmer zu Zimmer wanderte, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte. Sie konnte ebenso gut damit aufhören und es sich einfach eingestehen, denn selbst wenn sie nicht genau erklären konnte, was es war, das sie an ihm anzog, blieb die Tatsache also solche bestehen. Es gab keinen Zweifel: Er hatte sie richtig an der Angel.
Sie seufzte resigniert. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie mit einem gebrochenen Herzen zurückbleiben, wenn er irgendwann die Lust verlor. Aber es fiel ihr zusehends schwerer, gegen Vincents Anziehungskraft und ihre Bedürfnisse anzukämpfen. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, um jeder auf ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bedachten Frau den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben, gab es da auch noch diesen aufmerksamen Vergewaltiger.
Sie war nicht eben stolz auf die Erleichterung, die sie empfunden hatte, als sie hörte, dass das Opfer in ein anderes Krankenhaus gebracht worden war. Das Einzige, was sie sich zugute halten konnte, war, dass sie zuallererst Mitleid mit der bedauernswerten Frau verspürt hatte, genau genommen hatte die Nachricht sie bis ins Mark getroffen – das war der schlimmste Alptraum jeder Frau. Darüber lag jedoch der ausgesprochen egoistische Wunsch, nichts damit zu tun haben zu müssen. Die Aufmerksamkeit, die ihr der Vergewaltiger entgegengebracht hatte, beunruhigte sie aufs Äußerste, und es erfüllte sie mit Scham, wie sehnlich sie sich wünschte, er würde sie jetzt der Person zuwenden, die sich um das Opfer der heutigen Nacht kümmerte. Das war egoistisch, aber es war nun einmal so.
Sie begriff nicht einmal ansatzweise, wie ein Mann innerlich beschaffen sein musste, dass er zu einer solch entsetzlichen Tat fähig war. Er war nichts weiter als ein Tier. Nicht zufrieden damit, einem Menschen das Schlimmste anzutun, was man sich nur vorstellen konnte, musste er seine Opfer auch noch mit einem körperlichen Mal zeichnen, das sie für immer daran erinnerte, was er mit ihnen gemacht hatte. Was für ein krankes Hirn dachte sich so etwas aus?
Ivy war auf ihrer Wanderung inzwischen ungefähr zum vierten Mal wieder im Schlafzimmer angelangt und jetzt fielen ihr die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke auf, durch die sie bisher achtlos durchgewatet war. Ihre hausfraulichen Fähigkeiten verbesserten sich allmählich, aber bisher hatte sie sich darauf beschränkt, Wohnzimmer, Bad und Küche in Ordnung zu halten – die Bereiche, die Gäste am ehesten zu Gesicht bekamen. Das Schlafzimmer neigte nach wie vor dazu, auszusehen wie nach einem schweren Erdbeben. Auf der verzweifelten Suche nach etwas, das ihr dabei half, die schrecklichen Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen, machte sie sich daran aufzuräumen.
Es hatte tatsächlich etwas Beruhigendes, in dem von Mondlicht erhellten Zimmer herumzuräumen, saubere Kleidung und Schmutzwäsche auseinander zu sortieren, Erstere auf Bügel zu hängen und Letztere in den Wäschekorb zu werfen. Als der Teppich wieder zum Vorschein kam, zog sie den Überwurf auf dem Bett glatt, holte sich aus der Küche ein Glas Wein und nahm ab und zu einen Schluck, während sie Staub saugte. Ohne es zu merken, begann sie vor sich hin zu summen, während sie die wüst durcheinander liegenden Schuhe in ihrem Schrank zu Paaren ordnete. Als sie den Staubsauger schließlich wieder weggeräumt hatte, fühlte sie sich entspannt genug, um an Schlaf denken zu können.
Über die Maßen stolz auf ihre Leistung, trug sie das leere Weinglas in die Küche, stellte es in den Geschirrspüler und wischte die Arbeitsplatte. Im Badezimmer räumte sie alles an seinen Platz, und sie ging sogar so weit, ihre Sachen nicht einfach auf dem Boden liegen zu lassen, als sie sich auszog und in ihr kurzes Satinnachthemd schlüpfte. Sie ging zum Fenster, schloss die Jalousie und schlüpfte ins Bett, ihre Nervosität war schläfriger Gelassenheit gewichen.
Sie war gerade am Einschlafen, als das Telefon klingelte. Mit einem Ruck fuhr
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