Unter die Haut: Roman (German Edition)
fuhr er in bitterem Ton fort. Er ließ ihre Handgelenke los und machte Anstalten, sich zu erheben.
Ivy blinzelte, sie begriff seinen plötzlichen Stimmungsumschwung nicht. Wo wollte er hin? Wollte er sie etwa einfach so liegen lassen? Nein! Sie brauchte ihn, sie sehnte sich nach dem Vergessen, das es ihr bringen würde, wenn er sie liebte.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Vincents Frage war in ihrer Erregung kaum zu ihr durchgedrungen, und sie verstand sie auch nicht. Sie begriff nur, dass er sich von ihr zurückzog, wenn sie ihn am meisten brauchte. Die Wut, die bis jetzt von blankem Entsetzen und dem Bedürfnis, einen Rest von Fassung zu bewahren, in Schach gehalten worden war, brach sich plötzlich ungehemmt Bahn. Ohne nachzudenken, schlug sie mit beiden Fäusten auf ihn ein.
»Verdammt noch mal, Vincent!«, schrie sie und zielte auf seinen Kopf, seine Schultern, wohin sie traf. »Verdammt noch mal. Seit Wochen drängst du mich, mit dir zu schlafen, und dabei treibst du nur dein mieses Spiel mit mir …« Getrieben von dem Wunsch, ihm wehzutun, drosch sie weiter in blinder Wut auf ihn ein.
Verblüfft über Ivys Kraft wich Vincent ihren Schlägen aus, während er versuchte, ihre wild fuchtelnden Arme zu packen. Schließlich bekam er sie an den Unterarmen zu fassen, drückte sie aufs Bett und legte sich mit seinem vollen Gewicht auf sie. Als er eine Weile später den Kopf hob, um ihr ins Gesicht zu sehen, atmeten sie beide in keuchenden Stößen, und die Atmosphäre um sie herum schien geradezu vor sexueller Frustration zu knistern. »Wenn du nichts weiter willst als ein bisschen Vergessen, Lady, brauchst du es nur zu sagen, und ich vögel dich, dass dir Hören und Sehen vergeht«, knurrte er und schüttelte sie. »Aber ich will verdammt sein, wenn ich das tue, solange du nicht mal weißt, wen du in dir hast.«
»Was?« Einen Moment lang lag sie ruhig da und sah ihn erschrocken an. »Das ist nicht wahr!«, flüsterte sie heiser, als ihr dämmerte, was er dachte. Dann bäumte sie sich heftig auf, um ihn von sich zu werfen, und ihre Wut steigerte sich noch, als er das mit Leichtigkeit vereitelte. »Verdammt, D’Ambruzzi, das ist nicht wahr! Wann kriegst du es endlich in deinen Dickschädel, dass ich nicht deine Exfrau bin? Mein Gott! Ich habe dir nie ewige Treue geschworen. Aber lass mich eins klarstellen – wenn ich irgendeinen x-beliebigen Kerl gewollt hätte, dann gäbe es genug, die ich hätte anrufen können!«
Das Gefühl, betrogen worden zu sein, ließ seine dunklen Augen glühen. »Warum zum Teufel hast du dann nicht mal gewusst, wie ich heiße?«
»Ich habe es gewusst!«
»Ja, klar, nachdem du fünf Minuten darüber nachgedacht hast.«
Sie fletschte die Zähne und stöhnte frustriert auf. »Fünf Minuten! Das ist Blödsinn, und das weißt du auch.« Dann sah sie ihm in die Augen und sagte beleidigend langsam, als spräche sie mit jemandem, der geistig minderbemittelt war: »Ich … war … einfach … zu … erregt … du Idiot. Es … hat … ein … paar … Sekunden … gedauert … bis … ich … umgeschaltet … hatte. Aber glaub mir, D’Ambruz zi«, fuhr sie fort, jetzt in normaler Geschwindigkeit, wenn auch jedes einzelne Wort betonend, »ich wusste ganz genau, wen ich verführen wollte.«
Dann wurde ihr auf einmal alles zu viel, und ihr Gesicht verlor jeden Ausdruck. Ihre Leidenschaft war erloschen, und sie war einfach zu erschöpft, um ihren Zorn aufrechtzuerhalten. Das hieß, dass ihr nichts mehr blieb, um das Entsetzen zu unterdrücken, was sie so verzweifelt versucht hatte. Sie begann zu zittern. »Oh Gott, Vincent«, schluchzte sie. »Ich habe solche Angst. Bitte sei nicht böse auf mich – ich wollte nur für einen Moment alles vergessen, und ich wusste, dass mir das gelingt, wenn du mich liebst. Okay? Mehr wollte ich nicht. Ich wusste, dass du es bist.« Er rollte sich mit ihr herum, und seine Arme legten sich fest und warm um sie. Sie hob ihre Wange von seiner Brust und sah ihm in die Augen. »Warum passiert das ausgerechnet mir? Gott, es kommt mir vor, als würde er versuchen, eine Persönlichkeit für mich zurechtzuzimmern, damit ich irgendeinem Bild entspreche, das nur er kennt. Was passiert, wenn er herausfindet, dass das nicht funktioniert?« Tränen strömten über ihr Gesicht.
»Sch, sch«, sagte Vincent sanft, strich ihr die feuchten Haare aus dem Gesicht und tupfte ihr mit den Fingerspitzen die Tränen von den Wangen. »Nicht weinen, Ivy.
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