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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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sein, als seines Vaters Hand sich gegen ihn erhob, mit dem festen Willen, ihm den Schädel einzuschlagen?
    Firm wandte sich gerade der letzten Aufzeichnung zu, als es an der Tür klopfte. Es war ein anständiges, manierliches Klopfen. Dennoch erschrak Firminus, denn er ahnte, dass etwas daran nicht stimmte. Er versteinerte und lauschte, mit der leisen Hoffnung beseelt, er könne sich verhört haben. Doch schon bald klopfte es wieder. Keinesfalls aufdringlicher oder gar ungeduldiger. Es wollte scheinen wie ein schlichtes Begehren, eintreten zu können. Doch die Tür war nicht verschlossen, und es gab niemanden, der sich im Hause von Margarete Graft der Höflichkeit verpflichtet gefühlt hätte, zu klopfen. Und gerade wollte Firm versuchen zu antworten, auch wenn nur ein mattes Stöhnen aus seiner Kehle gekommen wäre, da pochte es erneut und gab ihm das Gefühl, einer unheimlichen Gefahr ausgesetzt zu sein.
    Er sog die Luft ein und schaute verstohlen zu dem letzten Papier. Nur dieses eine Blatt trennte ihn womöglich noch von der ganzen Wahrheit.
    Klopf-klopf-klopf.
    Firm argwöhnte, dass Eile geboten sei. Sein Blick suchte die Schrift der verbliebenen Notiz. Es war wieder ein Brief.
    Klopf-klopf-klopf.
    In seinem Mund klebte der süße Sud des Obstes und wirkte wie ein Rauschmittel, welches sein Herz zum Rasen brachte. Er hatte Angst, und doch zwang er sich, zu lesen.
    Geliebte Anne!
    Alles soll nun gut werden. Mir ist’s, als sei der Fluch von uns gewichen. Ich traf neulich Abend einen Zigeuner, und jener sprach mich an, als wär’ ich seinesgleichen. Empört wie ich war, versuchte er, mich zu beschwichtigen, und lud mich zu einer Vorstellung eines Zirkus ein, der bizarre Attraktionen präsentiert. Kuriositäten menschlicher Natur. Widerwärtigkeiten sondergleichen. Eine Schweinefrau und einen Mann, den sie Janus nannten. Er konnte seinen Kopf einmal ganz herumdrehen. Da war noch einiges mehr. Es war furchterregend und widerlich, was es dort zu sehen gab. Davon muss ich Dir berichten, wenn ich wieder daheim bin. Anne, Du liest nun recht, ich komme heim mit dem nötigen Geld, um Dich zu einem guten Arzt zu bringen. Und das lange End’ sind wir auch los – er wird uns nicht länger auf der Tasche liegen. Denn ich konnte ihn an den Zirkus verkaufen. Sie waren so überrascht, als sie seine Größe sahen, dass sie ihn sogleich haben wollten. Den Preis trieb ich ordentlich in die Höhe und zusammen mit dem, was mir von der harten Arbeit blieb, wird es reichen. Ach, was freue ich mich, dass nun alles ausgestanden scheint und es Dir bald besser gehen wird. Du siehst, das Glück geht auch an uns nicht spurlos vorüber. Sei voll Zuversicht, bald bin ich da.
    Hector.
    Schwer musste Firminus schlucken, als er geendet. Er fühlte Schweiß auf seiner Stirn, als er des teuflischen Plans gedachte, den Vater Shepherd ersonnen hatte. Aber es war eben diese Tücke und Selbstsucht, die wohl alle Eltern bezwang, wenn sie beabsichtigten, ihre Kinder wie Stückgut zu veräußern. Was mochte seine Eltern von denen Little Shepherds unterschieden haben?
    Und wie mochte der kleine Shepherd reagiert haben, als er begriff, was mit ihm geschehen sollte? Er war irgendwann heimgekehrt, soviel war der dritten Notiz zu entnehmen, und der Empfang war kein freundlicher gewesen.
    Es war leise um ihn herum. Firminus fiel es jetzt erst auf. Kein Klopfen mehr, kein Laut. Nur eine eisige Kälte, die wie der Griff einer Winternacht seinen Hals umschlang. Seine klamme Haut wurde von dem Frosthauch geschüttelt. Er wagte nicht, sich herumzudrehen. Kam die Kühle von der Tür?
    War sie geöffnet worden? Hatte der kühne Klopfer sich Einlass gewährt?
    Aus dem Augenwinkel nur sah er kurz eine schleichende Bewegung, dann plötzlich griff jemand nach dem Kissen an Firms Seite, und noch ehe er sich umwenden konnte, traf es seinen Kopf und drückte ihn mit einem furchtbaren Schlag und unnachgiebigen Druck auf seine Bettstatt. Es wurde dunkel unter dem Kissen.
    Jemand versuchte, ihn zu ersticken, doch wer konnte es sein? War es die knurrende Maggie, der geisterhafte Little Shepherd oder ein Eindringling, der in dem Haus nach Reichtümern gesucht hatte? Firm schickte sich an, zu strampeln und mit den Händen um sich zu schlagen, wiewohl er wusste, dass sein Körper und seine Kräfte ihm nicht Untertan waren.
    Die Luft blieb aus. Der Druck verstärkte sich. Firminus konnte nicht atmen, und eine ungeheuerliche Kraft schien in ihm zu schreien, zu zetern und zu

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