Unter feindlicher Flagge
tun?«, fragte Hart verstimmt. »Soll ich mein Schiff etwa in Reichweite der Vierundzwanzigpfünder bringen?«
Die Miene des kleinen Leutnants verspannte sich. »Ich denke, Kapitän Bourne hat alle Risiken sorgsam abgewägt, Kapitän Hart.«
»Ah, hat er das? Nun, es gibt immer ein erstes Mal, wie es so schön heißt.« Hart trat einen Schritt zurück und schaute aufs Meer hinaus.
»Soll ich Kapitän Bourne dann mitteilen, dass Sie sich weigern, ihn bei dieser Aktion zu unterstützen, Kapitän Hart?«
Hayden konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. Gewiss hatte Bourne dem jungen Leutnant genau diese Worte in den Mund gelegt. Ein britischer Kommandant, der einem anderen britischen Schiff die Hilfe verweigerte, würde vor ein Kriegsgericht gestellt, es sei denn, das geplante Unterfangen war auffallend schlecht durchdacht. Wenn Bourne nun ohne Harts Hilfe zumindest einen Teilerfolg erzielte, stünde Hart als Feigling da. Und wenn Bourne versagte, jedoch vorbrächte, er hätte Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn Hart ihm geholfen hätte ...
»Ich sagte nicht, dass ich mich weigere«, antwortete Hart leise, da er natürlich erkannte, dass der junge Kommandant zu viele Zeugen an Deck hatte, von denen nicht alle auf Harts Seite waren. Hayden jedenfalls hatte seine stille Freude, als er sah, dass Hart nun in Erklärungsnot geriet.
»Ich fürchte, Kapitän Hart«, sagte der junge Offizier, »dass ich auf einer klaren Entscheidung beharren muss: Entweder eilen Sie Kapitän Bourne zu Hilfe, oder Sie weigern sich.«
Harts Zorn flammte auf. Den Mangel an Respekt, den er jetzt erlebte, empfand er als skandalös, aber er schaute sich rasch an Bord um - wie ein Mann, der in der Klemme saß. Schließlich hatte er sich wieder unter Kontrolle und nickte. »Ich werde mich mit Bourne treffen und versuchen, ihm von einem derart gefährlichen Unterfangen abzuraten. Mr Barthe, setzen Sie Kurs auf Belle Ile.«
Leutnant Philpott warf einen Blick auf Hayden und ließ zumindest für einen kurzen Moment ein triumphierendes Lächeln erkennen. Dann verabschiedete er sich und stieg über das Fallreep wieder ins Beiboot.
Das Deck erwachte zu neuem Leben. Die Männer mussten Segel setzen. Der Kurs wurde geändert. Kurz darauf machten sie bei günstigem Wind sieben Knoten und hielten auf die kleine französische Insel zu, die früher einmal unter britischer Kontrolle gestanden hatte.
Wickham trat neben Hayden, der inzwischen aufs Vorderdeck gegangen war, da er möglichst weit von Hart entfernt sein wollte. Der Kommandant war am unerträglichsten, wenn ihn Wut und Furcht zugleich überkamen.
»Waren Sie schon einmal auf Belle Ile, Sir?«, fragte Wickham.
»Zweimal«, antwortete Hayden. »Der Name ist passend, denn ich kenne kaum eine bezauberndere Insel.«
»Dann hätten wir sie vielleicht behalten sollen?«
Hayden lachte. »Ich glaube nicht, dass die gegenwärtigen Einwohner unsere Rückkehr gutheißen würden. Wie ich hörte, sind viele von ihnen Arkadier, also Kanadier, die sich der britischen Herrschaft nicht unterordnen wollten. Nach dem Vertrag von Paris zogen sie hierher und haben für England nicht viel übrig, fürchte ich.«
Hayden schaute durch sein Glas. Der Horizont war von weißen Schleiern überzogen. Der Leutnant war sich nicht sicher, ob er dort einen dunklen Fleck entdeckt hatte oder ob das nur seiner Einbildung entsprang.
Wickham schaute sich schnell um, trat dann etwas näher an Hayden heran und sagte leise: »Was wird Hart machen? Bourne kann er nicht weismachen, dass das keine französischen Schiffe sind oder dass dort Dreidecker liegen, die wir besser meiden sollten.«
»O nein«, antwortete Hayden. »Bourne wird Hart nicht vom Haken lassen, da er genau weiß, dass Hart versuchen wird, sich aus der Affäre zu ziehen.«
Schritte hinter ihnen beendeten das Gespräch. Hayden drehte sich um, weil er sichergehen wollte, wer dort kam.
»Mr Muhlhauser. Waren Sie zufrieden mit Ihrem Test, Sir?«
»Sehr zufrieden, Mr Hayden, obwohl es noch besser gelaufen wäre, wenn wir noch zwei Dutzend Schuss hätten abfeuern können. Aber nun besteht ja die begründete Hoffnung, dass mein Geschütz tatsächlich in einem Gefecht eingesetzt werden könnte, nicht wahr?«
»Wir werden sehen. Wie steht es um Ihre Geschützmannschaft? Sind Sie mit den Männern zufrieden?«
Muhlhauser schien die Frage nicht recht zu behagen. »Nun, Mr Hayden, wenn die Männer nicht meutern, werden sie den Ansprüchen genügen.«
»Wie meinen Sie das,
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