Unter feindlicher Flagge
Leutnant, wie der junge Adlige ihn mit einem seltsamen und gleichzeitig belustigten Blick in seinem jungen Gesicht beobachtete.
Schließlich ging der Abend aber dann doch zu Ende, und die Midshipmen waren alle mehr oder weniger betrunken und fühlten sich sehr wohl dabei. Nur Hobson und Stock gerieten sich gegen Ende des Abends etwas in die Haare. Hayden begab sich in die Offiziersmesse, wo er Hawthorne, den Doktor und Mr Barthe an einem Tisch sitzend vorfand. Der Gesichtsausdruck der drei Männer zeigte einen grimmigen Ernst.
»Drei Leute sind hier viel zu ernst«, erklärte Archer, leicht lallend, als er durch die Tür stolperte und sich dann mit übertrieben gespielter Ungezwungenheit auf den Tisch lehnte. Sein Zustand glich dem der Midshipmen, und er war überrascht, als niemand über seinen Scherz lachte. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Doch, doch«, antwortete Griffiths und versuchte ein Lächeln. »Alles ist in Ordnung mit der Welt. Aber ich fürchte, Mr Archer, Ihr Morgen wird meinem Heute ziemlich ähnlich sein.« Dann stand er von seinem Stuhl auf. »Ihnen allen, Gentlemen, eine gute Nacht. Bis morgen ...« Darauf nickte er Hayden und dann Hawthorne zu und ging hinaus.
Hayden begab sich in die Dunkelheit seiner Kajüte und legte sich in die Koje, aber er konnte nicht sofort einschlafen. Er lag wach und lauschte den Nachtgeräuschen, hörte die Schritte der Wache, vernahm den Klang der Schiffsglocke und den Ruf »Alles in Ordnung«. Der Wind drehte wieder auf Nordost, und der Regen rauschte auf den Plymouth Sund nieder. Hawthornes sägendes Schnarchen dröhnte durch die Nacht - regelmäßig wie das Pendel einer Uhr. Es war Hayden, als könne er den Doktor sich unruhig im Bett hin und her wälzen hören - wach aus demselben Grund wie er selbst.
Vier Glasen der Mittelwache rissen Hayden aus dem Schlaf, der nur etwa eine Stunde gedauert hatte. Er stand rasch auf, zog sich so geräuschlos an, wie die Dunkelheit es erlaubte, und schlich aus seiner Kajüte. Hawthorne erschien in fast demselben Augenblick. Beide gingen zur Tür und dann eilig die Stufen hinunter. Die Midshipmen schliefen ihren Rausch aus und bemerkten die beiden daher nicht. Am Fuße der Leiter erwartete der Doktor sie mit einer Laterne. Neben ihm stand Aldrich und sah ganz verlegen aus. Hayden legte warnend einen Finger auf die Lippen und führte beide die Leiter hinauf zum Zwischendeck. Dann weiter auf das leere Kanonendeck, wo sie ebenfalls von niemandem bemerkt wurden, schon gar nicht von einer Wache. Hayden hielt inne und streckte den Kopf aus dem Niedergang. Der Regen hatte kurz vorher aufgehört, aber der Wind blies immer noch unangenehm heftig. Sterne waren nicht zu sehen.
Hawthorne legte eine Hand auf Haydens Schulter und eilte dann an ihm vorbei aufs Deck. Dort schwenkte er die Laterne als Signal für jemanden weiter vorn und bedeutete nun den anderen, ihm zu folgen. Der kalte Wind peitschte Hayden das lose Haar ins Gesicht. Das Beiboot war in dieser Nacht achteraus festgemacht und ohne Bootssteuerer. Hayden und Aldrich zogen es rasch längsseits.
»Was geht hier vor?«, kam es scharf aus dem Dunkel.
Hawthorne schnellte erschrocken herum und hob seine Laterne. In deren Lichtschein sah er Wickham, der seinen Mantel gegen die Kälte der Nacht zuknöpfte.
Griffiths ging einen Schritt voran und stellte sich zwischen den Midshipman und Aldrich, als ob er die Identität des Seemanns verbergen wollte. »Sie gehen besser in Ihre Kabine zurück, Mr Wickham, und vergessen, was Sie jetzt in dieser Nacht gesehen haben.«
»Nein, viel besser ist es, wenn ich Ihnen zu Hilfe komme«, erwiderte Wickham. »Sie sind kein Ruderer, Doktor, und wären besser an Bord, wo Sie vielleicht zu einem Patienten gerufen werden. Lassen Sie mich mit Mr Hayden und Mr Hawthorne gehen. Wir drei sind schließlich alte Bootskameraden.«
»Ist Ihnen klar, was hier vor sich geht?«, fragte Hayden den jungen Mann.
»Ich glaube, ja, Sir.«
»Dann beteiligen Sie sich besser nicht daran.«
»Mr Aldrich steht mir so nahe wie nur irgendeiner von Ihnen, glauben Sie mir ...«
»Wir haben jetzt keine Zeit zu streiten«, zischte Griffiths. »Mr Wickham soll statt meiner gehen, denn er hat in Bezug auf meine Fähigkeiten als Ruderer nicht unrecht.«
Die vier Männer bestiegen rasch das Beiboot und legten ab in die Dunkelheit hinein. Der eisige Wind nahm ihr kleines Schiff sofort in Besitz, sodass es zur Leeseite abtrieb.
»Nehmen Sie die Ruderpinne, Mr Hayden«,
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