Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf und flüsterte dann: »Es ist nur diese elende Erkältung. Sie hat mir Schlaf geraubt und meine Nerven angegriffen.« Dabei betupfte sie ihre Augen mit einem Taschentuch und zwang sich, gerade zu sitzen. »Es geht schon besser«, log sie dann und versuchte zu lächeln.
    Hayden blickte auf die Tür in der Erwartung, dass Lady Hertle jeden Augenblick zurückkommen könnte.
    Für einen Moment war er unschlüssig und hielt den Atem an. Dann wurde ihm aber sein Zögern bewusst, und er nahm allen Mut zusammen, als er sagte: »Da ich den Inhalt Ihres Briefes nicht kenne, vertraue ich darauf, dass Sie, großmütig wie Sie sind, mir sofort Einhalt gebieten würden, wenn sich das, was ich sage, durch Ihren Brief als haltlos erwiese.«
    Aber Henrietta hob wie abwehrend die Hand und sah ihm mit einem ängstlichen und zugleich fragenden Blick gerade in die Augen. »Ich nehme an, Sie haben ebenso viele ›Ratschläge‹ von Robert bekommen wie ich von der guten Elizabeth und meinen anderen Cousinen. Alle meinten es sicherlich gut, aber wir müssen selbst unseren eigenen Weg finden. Das ist mir klar geworden.«
    Hayden lehnte sich ein wenig zurück und nickte zustimmend. »Ja, Robert sagte mir, dass ich sicher Zweifel an meiner Zuneigung zu Ihnen hätte, weil ich mich nicht erklärt habe, als Sie zuletzt in Plymouth waren. Aber ich habe überhaupt keine Zweifel. Ich habe nichts gesagt, weil ...«
    »Weil Sie noch nicht bereit sind«, antwortete Henrietta sanft. Sie legte kurz ihre Hand auf seine Brust, ehe sie sie schnell wieder wegzog. »Unserer Bekanntschaft dauert noch nicht sehr lange, und ich möchte nicht, dass Sie sich erklären, solange Sie sich noch nicht sicher sind. Es ist mir gleich, was Elizabeth und Robert denken. Was wissen sie schon von unseren Gefühlen?«
    »Ja, genau so ist es. Dann hat mein Zögern Sie also nicht verletzt?«
    »Man sagte mir, dass ich mich verletzt fühlen sollte. Und eine Zeitlang habe ich es auch beinahe selbst geglaubt. Aber nein, ich denke jetzt, Sie hatten recht. Auch möchte ich Sie besser kennenlernen. Nur wenn zwei Menschen freundlich zueinander sind, heißt das noch nicht, dass ihr gemeinsames Leben erfolgreich verlaufen wird. Es geht um eine bedeutsame Entscheidung, die wir treffen werden, wenn die Zeit für uns gekommen ist.«
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass Sie das sagen. Als Sie Plymouth wie fluchtartig verließen, glaubte ich ...« Hayden hielt inne, da er nicht ganz sicher war, was er genau meinte.
    Henrietta berührte scheu seine Hand. »Sie brauchen nicht weiterzusprechen. Darin sind wir eines Sinnes, nicht wahr?«
    »Ganz und gar eines Sinnes.«
    Henrietta lächelte, und einen Augenblick lang war ihre Unpässlichkeit wie weggeblasen. Dann aber musste sie niesen. »Ist das nicht romantisch? Wie in einem Roman? Die Heldin hat Fieber und zittert, ihre Augen sind geschwollen, und ihre Stimme beschränkt sich auf ein ganz gewöhnliches Krächzen?«
    Mit gespielter Geziertheit betupfte sie ihre Nase mit einem Seidentaschentuch und lachte dann. Wieder berührte sie seine Hand. »Ich bin zufrieden damit, geduldig zu warten, solange ich weiß, dass ich Ihre Zuwendung nicht gänzlich verloren habe.«
    »Ich bin von Ihnen immer schon fasziniert, und das bedeutet viel.«
    Hayden hob ihre Hand an seine Lippen.
    »Leutnant Hayden! Sie nehmen sich große Freiheiten heraus!«
    »Aber ich bin gar nicht mehr Leutnant. Ich wurde zum Master and Commander ernannt, erhielt ein Schiff, und auf meinem Quarterdeck werde ich ›Kapitän‹ genannt.«
    Henrietta lächelte erneut. »Kapitän Hayden ...« Sie sprach die Worte vorsichtig aus, als wollte sie ihren Klang einschätzen. »Habe ich diese glückliche Wendung nicht vorausgesagt?«
    Hayden, der dies vergessen hatte, beeilte sich zu antworten: »Ja, natürlich! Und nun frage ich mich, was Sie wohl heute voraussagen.«
    »Ich werde diesmal mein Glück nicht herausfordern. Die Götter könnten das Gefühl haben, dass ich bei meinem Orakel eine Grenze überschritten habe. Nein, ich will nichts vorhersagen. Ich werde Geduld haben und sehen, was kommt. Da ich jetzt weiß, dass meine Freunde unrecht hatten - was ich in meinem tiefsten Herzen schon immer wusste -, bin ich es zufrieden.«
    Sie schwiegen eine Zeitlang, während sie noch nebeneinander auf dem Sofa saßen. »Aber ich möchte nicht zu sehr über die Zukunft nachdenken«, fuhr Henrietta dann nachdenklich fort. »Selbst wenn etwas glücklich

Weitere Kostenlose Bücher