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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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meine, die Männer schlafen alle an Deck, keiner dreht das Stundenglas um, keiner betätigt die Schiffsglocke.«
    »Ja, ganz wie im Urlaub«, stimmte Hayden ihm zu.
    »Die Männer freuen sich alle über das Prisengeld, Mr Hayden.«
    »Sagen Sie ihnen, sie sollen es nicht ausgeben, ehe unsere Beute das Prisengericht überstanden hat.«
    »Stimmt es, dass die Männer an Bord der anderen Fregatte auch ihren Anteil bekommen werden?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Das ist wohl kaum fair.«
    »Nun, eine Prise fällt einem nicht so leicht in die Hand, wenn kein zweites Schiff in der Nähe ist. Selbst wenn das andere Schiff keinen einzigen Schuss abfeuert, so kann es doch den Ablauf entscheidend beeinflussen.«
    »Aber bei dem Wind hätte die Fregatte doch das Handelsschiff nie erreichen können. Wir mussten kämpfen, ob sie nun da war oder nicht.«
    »Das stimmt alles, aber eines Tages ist es Ihr Schiff dort auf offener See, und dann erhalten Sie Ihren Anteil am Prisengeld, obwohl Sie nicht viel dazu beigetragen haben. Und dann werden Sie sehen, dass es doch gerecht ist.«
    Wickham lachte leise. »Vielleicht haben Sie recht, Mr Hayden. Ich werde Sie jetzt mit Ihren Gedanken allein lassen, Sir.«
    Hayden war sich nicht sicher, ob er mit seinen Gedanken allein gelassen werden wollte. Vieles von dem, was ihm mitten in der Nacht in den Sinn kam - Ängste und Zweifel -, erwies sich am nächsten Morgen als nicht so wichtig. Aber die Erinnerungen an seine Kindheit in Frankreich und die Bilder aus den Gassen von Paris suchten ihn oft in der Nacht heim, ob er es nun wollte oder nicht.

K APITEL VIERZEHN
    Hayden wachte früh am Morgen auf und fühlte sich vollkommen erschöpft. Sein Schlaf war voller Träume gewesen, von denen einige düster, gewalttätig und grausam waren - die Verarbeitung des Gefechts, das er überlebt hatte -, aber andere waren so herrlich gewesen, dass eine zarte Sehnsucht in seinem Herzen zurückblieb. Er hatte von dem Mädchen geträumt, das er als Junge verehrt hatte, als er den Sommer, in dem er zehn wurde, in Frankreich verbrachte. In seinem Traum hatte sie ihm gesagt, sein blaues Auge sei »für die See« und sein grünliches »für das Land«. Doch im wirklichen Leben hatte sie immer so unbeschwert gelacht, anstatt ihm wie ein Zigeunerweib die Zukunft vorauszusagen.
    »Guten Morgen, Sir.« Midshipman Lord Arthur Wickham stand an der Heckreling und suchte die See durch ein französisches Fernrohr ab. »Ich kann die Themis sehen, Sir. Und die französische Küste ist noch in östlicher Richtung zu erkennen.«
    Ein schwacher Wind aus Nordwest brachte sie voran, mit vielleicht zwei Knoten Kurs Süd. Hayden drehte sich langsam um die eigene Achse und betrachtete die See. Der Himmel schillerte wie Opal und war am östlichen Horizont in orangefarbene und rote Töne getaucht, die an einen Vulkanausbruch erinnerten. Hohe, unregelmäßige Wolken zogen sich über den Himmel, und der Mond schien bleich hindurch. Alles deutete auf gutes Wetter hin.
    »Wünsche Ihnen auch einen guten Morgen, Mr Wickham. Und wie geht es unseren Verletzten heute Morgen?«, erkundigte sich Hayden.
    Der Junge verzog den Mund. »Wir haben Smyth verloren, Sir. Dabei hat er sich noch so lange an sein Leben geklammert.«
    »Das tut mir leid. Möge Gott seiner Seele Frieden geben.«
    »Aye, Sir, das haben wir alle gesagt.«
    »Mr Hayden, wenn ich kurz stören darf ...«
    Hayden drehte sich um und sah den Bootssteuerer Childers, der ein Tablett in der Hand hielt.
    »Ist zwar nur gekochter Porridge und Äpfel, Sir, aber dafür kann ich Ihnen den Kaffee des französischen Kapitäns anbieten. Mr Wickham sagte, es mache Ihnen nichts aus, an Deck zu speisen, Sir.«
    »Ganz recht. Danke, Childers.«
    Der Bootssteuerer führte kurz die Hand zur Stirn und machte sich wieder an die Arbeit, offenbar als Proviantmeister. Hayden ließ sich auf einem kleinen Sitz an der Heckreling nieder und stellte das Tablett auf den Knien ab. Erst jetzt wurde er sich richtig bewusst, wie ausgehungert er war.
    »Was ist mit den Gefangenen, Mr Wickham?«
    »Mr Franks schaut nach ihnen, Sir. Er hat den Schiffskoch an die Arbeit gekriegt und meinte, französischer Proviant sei wohl gut genug für die Gefangenen, käme dem englischen Geschmack aber nicht entgegen.«
    Hayden, der mit französischem Essen groß geworden war, unterdrückte ein Lächeln. Kaum hatte er zwei Löffel des Frühstücks gegessen, als der Mann im Ausguck rief: »Deck! Segel Süd-Südwest!«
    »Ist das die

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