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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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mir keinen größeren Gegensatz vorstellen, als dich und diese … Dinger .«
    »Licht und Finsternis«, sagte er leise. »Es gibt immer zwei Seiten.«
    Ich holte tief Luft. »Wovon sprechen wir hier? Was sind sie?«
    Er betrachtete mich aufmerksam. »Dunkle Geschöpfe«, sagte er langsam. »Zutiefst böse Wesen. Kreaturen der Unterwelt.«
    »Kreaturen der Unterwelt? Du meinst, wie in Hölle ?«
    Er nickte.
    »Kreaturen der Hölle …«, wiederholte ich schwach.
    Er legte seine Hand an meine Schulter. »Ist alles in Ordnung?«
    »Was? Ich weiß nicht … Kreaturen der Hölle?« Mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken, als mir klar wurde, was mich tatsächlich angegriffen hatte. Ich fühlte den sanften Druck seiner Hand und wieder war es das vertraute Gefühl seiner Nähe, das mich schützend einhüllte und das Grauen vertrieb.
    »Ich muss dich noch etwas fragen«, murmelte ich. »Die Männer, die mich beim Wrack überfallen haben … konnten sie dich sehen?«
    »Nein. Nur du hast mich gesehen.«
    »Aber … du hast dort gestanden, zwischen mir und ihnen … «
    Er nickte.
    »Und … sie haben … dich nicht gesehen? Wieso haben sie mich dann gehen lassen?« Ich begriff überhaupt nichts mehr. »Ich dachte, du hättest ihnen Angst gemacht, und dass sie mich deshalb haben entkommen lassen …«
    »Es waren nicht diese Männer, denen ich Angst gemacht habe«, erklärte er.
    Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, was er damit sagen wollte.
    »Oh nein« flüsterte ich tonlos.
    »Das, was in ihnen drinsteckte, ist vor mir zurückgewichen.«
    »Das, was in ihnen … ?« Meine Stimme war höher, als ich es wollte.
    »Hast du es nicht gespürt?«
    »Was gespürt? Ich war zu sehr damit beschäftigt, nicht zusammengeschlagen und vergewaltigt zu werden …«
    Sanft nahm er meine Hand. Ich wurde sofort ruhiger und gleichzeitig fing mein Herz heftiger zu schlagen an. Es hatte nichts mit der Erinnerung an den Überfall zu tun.
    »Es war das Böse in ihrem Innern, das vor mir geflohen ist«, sagte er leise. »Diese Männer verstanden nicht, was geschah. Sie hatten nur das Gefühl, dass etwas Mächtiges und Gefährliches sie von dir fort zwang.«
    »Etwas Mächtiges und Gefährliches«, murmelte ich. »Du.«
    Er sah mich schweigend an.
    »Mächtiger und gefährlicher als Kreaturen der Hölle?«, fragte ich zögernd.
    Er neigte den Kopf.
    »Ich bin sehr froh darüber, dass du mich gerettet hast«, flüsterte ich. »Aber … mächtiger und gefährlicher als Kreaturen der Hölle? « Ich verstummte hilflos.
    Er schwieg einige Augenblicke.
    »Diese Macht ist ein Teil von mir«, sagte er schließlich. »Ich bin gefährlich für sie, aber niemals für dich.« Seine Stimme war leise und eindringlich.
    Ich erwiderte nichts. Ich fühlte, dass ihn mein Zögern schmerzte, und zwang mich, meinen Blick zu heben. Ein Hoffnungsschimmer lag in seinen Augen, als ich ihn ansah.
    »Ich wollte dir keine Angst machen«, flüsterte er. »Es wäre das Schlimmste für mich … bitte, hab keine Angst vor mir.«
    »Das habe ich nicht«, sagte ich langsam. »Es war nur so – ich weiß auch nicht – es war so einschüchternd …«
    »Ich war wütend. Wirklich wütend.« Ein dunkles Knurren lag in seiner Stimme und seine Augen blitzten.
    »Ich verstehe das nicht«, flüsterte ich. »Diese Männer dort … ich dachte, es waren Menschen.«
    »Es waren Menschen. Doch sie haben ihre Seelen diesen Wesen geöffnet.«
    Bei dem Gedanken, einer Kreatur wie der in der Bibliothek meine Seele zu öffnen, krampfte sich alles in mir zusammen. Doch ein anderer Gedanke, noch viel entsetzlicher, hatte sich bereits in meinem Kopf geformt.
    Meine Stimme war kaum noch zu hören, als ich mich bemühte, die Frage zu formulieren. »Waren sie … hinter mir her?«
    Er zögerte einen Moment. »Sie sind hinter allen Menschen her.«.
    Ich hatte das Gefühl, dass er etwas zurückhielt. Obwohl ein Teil von mir danach schrie, es nicht zu erfahren, blieb ich hartnäckig. »War der Überfall beim Wrack nur ein Zufall?«
    Er schwieg eine Weile.
    »Erinnerst du dich, wie die Kreatur in der Bibliothek reagiert hat, als du sie direkt angesehen hast?«, fragte er schließlich.
    Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte, aber ich nickte. »Sie hat gezögert.«
    »Genau. Weil du sie erkannt hast.«
    Die Übelkeit in meinem Magen verdichtete sich zu einem Klumpen. »Ich verstehe trotzdem nicht, was sie von mir wollen. Und wieso ist es schlimmer, wenn ich sie erkenne?«
    Er rang mit sich.

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