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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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Schreibtisch.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Victoria.« Seine samtene Stimme war voller Sorge. Er ließ sich nicht täuschen.
    Ich ließ mich seufzend auf mein Bett fallen. Es machte keinen Sinn, zu versuchen, ihm etwas vorzumachen. »Also gut. Es ist so: diese ganze Sache mit diesen«, ich presste das Wort hervor, » … Höllenwesen – macht mir eine Wahnsinnsangst. Ich weiß, das willst du nicht hören, und ich weiß, dass du mich beschützt – aber das ist nun einmal die Wahrheit. Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollen, und ehrlich gesagt will ich es auch lieber nicht wissen. Ich wünschte, sie würden sich nicht in mein Leben drängen, ich wünschte, ich wüsste nicht einmal, dass es diese Monster gibt …«
    »Du hattest die Wahl«, sagte Nathaniel leise. Es klang beinahe vorwurfsvoll. Vor allem klang es verletzt. »Du hast dich dafür entschieden, es zu erfahren.«
    »Nein. Ich habe mich für dich entschieden.« Ich schwieg ein paar Sekunden und vermied es, seinem Blick zu begegnen. Dann atmete ich tief durch, um mich zu wappnen, und blickte ihn an.
    Seine Augen glühten.
    Einen Moment lang zögerte ich irritiert, doch er hatte seine Gefühle bereits wieder unter Kontrolle.
    »Ich fühle mich sicher, wenn du bei mir bist«, flüsterte ich.
    »Ich werde immer bei dir sein«, versprach er, und seine Stimme bebte.
    »Falls du dich das fragen solltest … ich bereue meine Entscheidung nicht«, sagte ich leise.
    Er nickte dankbar.
    Die Schmetterlinge in meinem Bauch kehrten zurück.
    »Übrigens …«, versuchte ich locker daherzureden, »als ich dich heute gerufen habe, warst du viel schneller bei mir als sonst.«
    »Aus einem einfachen Grund.« Ein Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. »Diesmal war es dringend.«
    Ich wusste, dass er auf meinen stummen Wunsch einging, denn der Ernst war aus seinem Gesicht verflogen und kehrte für den Rest des Abends nicht wieder. Trotzdem ließ mich das Gefühl nicht los, dass es in unserem Gespräch um viel mehr gegangen war, als nur um meine Angst vor Inferni.
     
    Der Mittwochvormittag schlich dahin. Herrn Wagner sah ich nicht, worüber ich recht froh war, nach der Art, wie mein Gespräch mit Melinda Seemann geendet hatte. Auf Wagners enttäuschtes Gesicht konnte ich verzichten, vor allem, wenn ich schon wieder der Grund für seine Enttäuschung war.
    Ich nahm mir vor, Nathaniel am Nachmittag über Melinda auszufragen. Wie kam es, dass sie ihn und die Inferni sehen konnte? Warum wollte sie nicht mit mir darüber sprechen? Und was meinte sie mit dieser ›Mission‹?
    »Victoire?«
    Anne stieß mich mit dem Ellbogen an. Ich blickte auf, und sah in das fragende Gesicht von Madame Dupont. Die Klasse war mucksmäuschenstill.
    Madame Dupont schüttelte missbilligend den Kopf. »Ein bisschen mehr attention, s’il te plaît« , sagte sie tadelnd.
    Ich zog den Kopf ein.
    »Catherine?«
    Katharina beantwortete die Frage, die ich nicht einmal gehört hatte, während der Rest der A-Liga mich süffisant anlächelte.
    » A ngeberin«, zischte Anne und zog eine Grimasse in Richtung der drei, mit einer ziemlich guten Imitation ihres falschen Lächelns.
    Als endlich die Glocke das Ende der letzten Stunde ankündigte, packte ich so schnell wie möglich meine Sachen zusammen. Glücklicherweise hatte Chrissy es eilig, zum Reitstall zu kommen, und Mark wich nicht von ihrer Seite.
    »Mann«, keuchte Anne, als wir hinter den beiden über den Schulhof hetzten. »Ich hoffe, dieser Gaul wird bald wieder gesund …«
    Auf dem Parkplatz blieben wir kurz stehen.
    »Was machst du heute?«, schnaufte sie.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Mathe lernen.« Aber nicht, bevor ich ihn wiedergesehen habe , dachte ich und hatte Mühe, ein freudestrahlendes Grinsen zu unterdrücken.
    »Das wird ein Horror-Nachmittag.« Anne schüttelte sich. Dann lief sie Chrissy und Mark hinterher, die schon auf dem Weg zur Bushaltestelle waren. »Hey, wartet auf mich!«
    Während ich zu meinem Auto ging, schaltete ich meinen MP3-Player ein und überlegte, dass ich wohl oder übel an diesem Nachmittag irgendwann auch Mathe würde lernen müssen.
    Oh, verdammt.
    Ich hatte mein Mathebuch im Spind gelassen.
    Es half nichts. Leise fluchend machte ich kehrt und marschierte zurück ins Schulgebäude. Die letzten Nachzügler kamen mir im Treppenhaus entgegen und als ich den dritten Stock erreichte, waren die Gänge leer. Ich schloss ärgerlich meinen Spind auf und zog das blöde Buch aus dem

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