Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
ausgeholt. Für Nelson war es glasklar, dass einzig der Kolumbianer hinter dem Attentat auf Sergio steckte. Und nun war zu allem Unglück auch noch Cesare verhaftet worden! Das hatte in dieser Situation gerade noch gefehlt! Nelson konnte die Schlagzeilen in den Zeitungen schon vor sich sehen.
›Vielleicht hat Sergio wirklich Recht und ich werde langsam alt‹, dachte der Anwalt müde. ›Ich habe nicht mehr dieselben Nerven wie vor 20 Jahren.‹
Er sehnte sich nach seinem Haus auf dem Land, nach seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln. Was tat er hier überhaupt noch? Sergio hörte doch ohnehin nicht mehr auf ihn.
»Ich werde Mama vorläufig noch nicht anrufen«, entschied Massimo, »aber du solltest in die Bronx fahren, um Cesare herauszuholen, bevor er sich um Kopf und Kragen redet.«
»Sie werden eine hohe Kaution festsetzen«, gab Nelson zu bedenken.
»Das ist egal. Fahr sofort los, Nelson«, sagte Massimo. »Ich schicke Silvio mit genug Geld hin. Cesare muss verschwinden, bevor er etwas noch Dümmeres macht, als er sowieso schon getan hat.«
»In Ordnung. Ich lasse Luca hier.«
»Ja, okay. Wie geht es meinem Vater?«
»Sie operieren ihn gerade. Die Kugel hat eine Ader durchschlagen. Er hat viel Blut verloren.«
»Er wird es schon schaffen. Papa ist zäh.«
Nelson stellte fest, dass Massimos Stimme der seines Vaters in solchen Situationen ähnelte. Er schien die Sache im Griff zu haben. Und doch durfte nichts mehr geschehen, solange Sergio außer Gefecht war.
***
Nick Kostidis tastete verschlafen nach dem Telefonhörer, als das Telefon morgens um drei klingelte. Die Geheimnummer seines Privatanschlusses kannten nur wenige Leute, daher war er auch nicht besonders erstaunt, als er am anderen Ende der Leitung Franks Stimme vernahm.
»Frank«, sagte er leise und warf einen Blick zu Mary hinüber, die sich im Schlaf bewegte, und nicht aufgewacht war, »schlafen Sie denn nie?«
»Doch, ab und zu«, erwiderte Frank Cohen. »Ich habe noch am Programm für den Moskauer Bürgermeister gearbeitet.«
»Was gibt’s?« Nick gähnte und rieb sich die Augen.
»Wer ist das?«, fragte Mary mit schlaftrunkener Stimme. Nick legte die Hand über die Sprechmuschel: »Es ist Frank.«
»Captain Tremell vom 41. Polizeirevier hat mich angerufen«, berichtete Frank. »Es sieht so aus, als hätten sie heute Nacht den Sohn von Vitali bei einer illegalen Entmietungsaktion in der Bronx festgenommen, bei der ein Polizist schwer verletzt worden ist.«
Nick war sofort hellwach.
»Ich dachte, das würde Sie interessieren.«
Und ob es das tat! War das die lang ersehnte Möglichkeit, endlich an Vitali heranzukommen?
»Wann war das?«, fragte Nick und machte Licht an. »Wurde er schon dem Haftrichter vorgeführt?«
»Nein, erst morgen früh. Scheint so, als ob die Jungs vom 41. an ihm und seinen Komplizen ein Exempel statuieren wollten. Sie sind seit Monaten hinter dieser Bande her, die die Leute im Viertel terrorisiert und Häuser niederbrennt.«
»Ich fahre sofort hin«, sagte Nick.
»Ach, Nick, noch etwas«, sagte Frank. »Alle Häuser, die sich diese Bande vorgenommen hat, liegen in Morrissania und HuntsPoint zwischen der Westchester Avenue und der Boston Road.
Sagt Ihnen das etwas?«
»Nein, im Augenblick nicht.«
»Dieses Gebiet wurde im letzten Jahr zu einem vorrangigen Sanierungsprojekt erklärt.«
»Was wolln Sie damit sagen?«
»Wenn es Vitali ist, der hinter den Überfällen auf die Wohnblocks steckt, dann könnte er von den Sanierungsplänen erfahren haben.«
Nick verstand, was Frank meinte, und er fröstelte unwillkürlich. Wieder einmal der Maulwurf.
»Was ist denn passiert?« Mary blinzelte verschlafen in das helle Licht. »Musst du wirklich weg?«
»Sie haben Vitalis Sohn festgenommen. Vielleicht ist das endlich meine Chance, den Kerl festzunageln«, Nicks Augen glänzten. Vitali war Nicks Besessenheit. Mary hatte gehofft, es würde aufhören, als ihr Mann den Job als Staatsanwalt an den Nagel gehängt hatte, aber es war nicht so. Immer wieder Vitali. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass es eines Tages wegen dieses Mannes zu einem Unglück kommen würde.
»Fahr nicht!«, bat sie ihn eindringlich. »Es ist doch nicht mehr deine Aufgabe!«
»Mary«, er setze sich ungeduldig auf die Bettkante, um seine Schuhe zuzubinden, »ich bin seit fast 20 Jahren hinter diesem Kerl her, und jedes Mal wenn ich ihn fast hatte, ist er mit einem höhnischen Grinsen davonspaziert. Vielleicht kann ich heute Nacht
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