Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
Vom Netzwerk:
Reife. Ich habe es selbst erlebt; denn ich mußte ja auf den Feldern Osmans arbeiten.
    Wenn auch dieser große Herr nichts tat, er hungerte na-türlich nicht, aber die anderen. Für ihn waren immer Lager aus guten Jahren vorhanden, und er ist mächtig.
    Will ihm die Natur einen Streich spielen, so hat er noch unzählige Pächter, von denen er dann erpreßt, was ihm gefällt. Oder gehen wir hinunter zu den Beduinen; es ist nicht anders bei ihnen. Raubtiere fallen in ihre Herden ein, schlagen, was für einen Verkauf bestimmt war.
    Sandstürme verschütten die Brunnen, erhöhen die Gefahren. Umsonst war alles Hoffen und Mühen. Allah hat es nicht anders gewollt, damit tröstet ihr euch. Aber euer Gott hat zum Ausgleich die Europäer geschaffen, an die ihr euch halten könnt. Auf sie also, die kostbare Waren in ihren Schiffen haben! Daß sie nicht weniger schlimm daran sind als deine Brüder, daran denkt
    ihr nicht, wißt es wohl auch nicht. Eure Räubereien vernichten immer wieder auch ihr Hoffen und Glück, das ihre Herren sowieso bereits schmälern. Um die Waren herzustellen, auf die ihr Jagd macht, oder um sie in fremden Ländern kaufen zu können, sind ebenso unzählige Schweißtropfen nötig, wie sie von euren Stirnen rinnen, wenn ihr den Pflug durch die Erde zieht oder um eure Herden besorgt seid, für deren Gedeihen oftmals das Leben im Kampf mit den Herdenwürgern eingesetzt wird. Und du bist der Schlimmste von allen, Omar! Ein Parteigänger der fremden Unterdrücker, die von allen gehaßt werden, nach ihrer Willkür herrschen, belohnen und bestrafen. Eure Glaubenslehre paßt zu ihrem Treiben. Ihr nehmt hin, was die Türken euch antun, als Schicksal, murrt wohl im stillen, aber laßt es dabei be-wenden. Hast du noch nie daran gedacht, daß der Dey und seine Ratgeber dich eines Tages ebenso zur Seite stoßen könnten wie so viele andere Kapitäne?«
    »Ich bin Omar!« Mit gleichem Stolz, ganz von seiner Macht eingenommen, wie dem Mädchen Anna gegen-
    über, sagt er es.
    »Das heißt, daß du dich nicht vor dem Dey fürchtest.
    Mein Junge! Was ist deine Macht gegen die der Türken?! Für sie bist du nur ein Werkzeug, freilich ein sehr brauchbares, solange du keine eigenen Gedanken hast.
    Folgst du blindlings der Linie des Diwans, dann bedroht dich niemand, es sei denn, das Glück flieht dich. Kehre ein paarmal ohne Prisen von deinen Fahrten zurück. Man wird dich verleugnen, nicht mehr kennen wollen. Deine Mannschaft lehnt es dann ab, einem Kapitän zu gehorchen, bei dem nichts mehr zu gewinnen ist. Oder die Politik Hussein Paschas ändert sich plötzlich einem Staat gegenüber. Du weißt nichts davon, bekämpfst die Schiffe des nunmehr Verbündeten. Der Dey wird versuchen dich zu decken, ob es ihm gelingt, ist zweifelhaft; denn du wirst der bestgehaßte Mann sein. Man wird Himmel und Erde in. Bewegung setzen, dich zu vernichten. Was ist mehr wert, wird sich der Türke fragen: mein neuer Freund oder Omar? Vielleicht der Verbündete, vielleicht auch Omar. Liegt Hussein Pascha mehr an dem Freund, und das wird der Fall sein, dann ist es um dich geschehen.«
    Benedettos Miene hat sich verfinstert. Verfluchte Schwarzseherei, schilt er sich, schüttelt es aber im gleichen Augenblick ab. Der junge Mann soll klarsehen. Er muß erkennen, daß seine Erfolge, seine eingebildete Macht doch auf tönernen Füßen stehen, die ein Windstoß zum Einsturz bringen kann. Gewaltherrscher, wie die Deys von Algier, sind immer unberechenbar.
    »Ich würde es mit dem Dey aufnehmen«, versichert Omar nach langet Pause.
    »Aufnehmen in jugendlichem Überschwang, sicherlich; ob du gewinnen wirst, steht auf einem anderen Blatt.
    Versuchen müßtest du es auf jeden Fall; denn du bist ein anderer, als der du zu sein glaubst.« Benedetto hat einen Pfeil von der Sehne geschnellt.
    »Was sagst du da – Vater?« Es ist das erstemal, daß der Korsar den Alten wieder Vater nennt.
    Der Italiener überlegt. Soll er sofort den Schleier von den Worten ziehen; soll die ganze Wahrheit kurz, scho-nungslos, kalt gesagt werden? »Wie lange hast du Zeit?«
    fragt er ausweichend.
    Eine Handbewegung Omars. Er fragt nicht nach der Zeit. »Erzähle mir aus deiner Jugend«, bittet Benedetto.
    »Alles, dessen du dich erinnerst, berichte. Am besten fange von gestern oder vorgestern an und gehe immer weiter zurück. Auf diese Weise wird manches lebendig werden, an das du sonst nicht mehr denkst.«
    Omar tut es. Der Alte hat recht mit seinem Hinweis.
    Jetzt erinnert

Weitere Kostenlose Bücher