Unter Korsaren verschollen
lassen. Aber Omar bezahlt später an-standslos.
Der »Al-Dschezair« ist zu neuer Kaperfahrt gerüstet, als Benedetto in Algier anlangt.
»Jetzt habe ich keine Zeit mehr für dich, mein Freund«, bedauert der Korsar. »Du bist frei, kannst tun und lassen, was du willst. Aber eine Bitte gewähre mir: Bleibe bis zu meiner Rückkehr in meinem Haus, führe, verwalte es.
Ich werde sofort Anweisung erteilen, daß man dich während meiner Abwesenheit als Herrn betrachtet. Leb wohl!«
Omar geht davon. Unter der Tür bleibt er stehen.
Kommt zurück. Fragt. »Dein richtiger Name?«
»Ich heiße Benedetto Mezzo aus Genua. Ich bin vielleicht der letzte Überlebende der ,Astra’ neben -.«
»Auf Wiedersehen, Benedetto!«
Das letzte Wort des alten Italieners hat Omar nicht mehr gehört. Es eilt, aufs Schiff zu kommen. Und doch hätte dieses eine Wort vieles ändern können, so klein es ist: dir.
Schlimmer als je zuvor martern auf dieser Fahrt die Gedanken. Noch ist der letzte Schleier nicht zerrissen, noch immer schwebt über ihm Dunkel. Er will es selbst zerreißen, mag nicht die Hilfe anderer anrufen. Wieder flüchtet Omar in den Kampf, der alles Grübeln betäubt. -
Es ist schön, kommen und gehen zu können wie man will, keinem mehr gehorchen zu müssen, denkt Benedetto bei jedem Ausgang.
»Hund!« Ein Stein streift den Kopf des Italieners. Der Alte, ganz wie ein Maure gekleidet, zuckt zurück. Er blickt in fanatisch funkelnde Augen. Ein zweiter Stein trifft ihn an der Schulter.
»Schlagt ihn tot, ihn und seinen Herrn!« grölt die Menge, die sich plötzlich in der engen und steilen Gasse drängt.
Benedetto gelingt es zu entkommen. Was ist los? Was will man von ihm und Omar?
Auch dem Neger, der damals den Gefangenen geholt hat, ergeht es nicht anders.
Erst zur Nacht wagt sich Benedetto im Kaftan der Juden wieder aus dem Haus.
Algier kocht in Wut.
Omar hat eigene Schiffe versenkt! Schiffe des Deys!
Die Straßen und Gassen sind voll des Verrats.
Hat sich der Junge gefunden? Ist die Lücke in der Erinnerung geschlossen, weiß er, daß er Italiener ist, und hat er als Europäer gehandelt?
Vorsichtig forscht Benedetto nach Einzelheiten des ungeheuren Ereignisses.
»Auf der Höhe von Tripolis hat der ,A1-Dschezair’ drei unserer Schiffe in den Grund gebohrt. Einige der Korsaren konnten von einem fremden Piraten gerettet werden und sind nun nach Algier zurückgekehrt. – Jawohl, es war der ,A1-Dschezair’, es war Omar! Beim Barte des Propheten! Es ist die Wahrheit.« So erfährt es Benedetto in Bruchstücken, von einem, einem zweiten, dritten.
Der Italiener glaubt es nicht.
Auf die Anklagen des Mädchens Anna und auf seine, Benedettos, Vorhaltungen hin ändert sich Omar nicht so grundlegend. Es sei denn, daß der Junge wirklich erkannt hat, wer er ist. In diesem Fall aber, so meint der Italiener, würde Omar erst mit ihm gesprochen haben.
Die Sache mit dem Schweden war etwas Besonderes.
Omar hat Anna Jöguurd als ein fast überirdisches Wesen angesehen. Er war überrascht, vielleicht, wie man in Europa sagt, sogar in diese lichte Schönheit verliebt.
Deshalb hat er den »Kong Karl« sicher aus der Gefahrenzone geleitet. Eine klare Überlegung, ganz zu schweigen von einer Entscheidung, war es bestimmt nicht, denn die Räubereien wurden fortgesetzt.
Um einen Omar anderen Sinnes werden zu lassen, braucht es langer Zeit des Bohrens und Rüttelns – oder einer ganz großen Enttäuschung. Die könnte jetzt durch diesen Zwischenfall gegeben sein. Dann bleibt es aber fraglich, ob man den »Al-Dschezair« jemals wieder in Algier erblickt. Es wird nicht der Fall sein, wenn die Erzählungen stimmen. Sind sie aber falsch, gemacht, dann hat man schweres Geschütz aufgefahren. Dann soll Omar aus unbekanntem Grund in einer großen Verschwörung erledigt werden.
Benedetto Mezzo ist unfähig, etwas für Livio Parvisi, den Sohn seines toten Herrn, zu tun.
Wenn Korsarenschiffe durch Kanonenschüsse die Rückkehr in den Hafen anzeigen, dann zuckt der Italiener verängstigt zusammen.
»Gott sei Dank, es ist nicht der ,A1-Dschezair’!« murmelt er aufatmend und begibt sich vom Dach zurück ins Haus. Was jetzt im Hafen geschieht, kümmert ihn nicht.
Bis zu Beginn des Herbstes wird er ausharren. Kommt Livio dann nicht zurück, wird er als freier Mann nach Jahren diesem Land den Rücken kehren. Aber der Herbst ist noch weit. Noch mancher Tag und manche Nacht vergehen in Furcht davor, daß Omar doch in die ihm feindlich
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