Unter Korsaren verschollen
ist alles, o Dey, Kapitän Omar hat nichts mit dem Verlust deiner Schiffe zu tun.«
»Warte.« Hussein Pascha gab, während sich Ismail zu-rückzog, einem seiner Vertrauten einen Befehl.
Es dauerte einige Zeit, bis der zurückkam und dem Herrscher die Ausführung der Anweisung meldete.
»Ismail, hierher zu mir!« befahl der Dey. Und: »Herein mit Omar! – Du schweigst, Kapitän!« wurde gleich noch Ismail geboten.
»Erzähle von der Begegnung mit Ismail«, wird Omar vom Dey, der eine finstere Miene aufgesteckt hat, aufgefordert.
Die Menschen halten den Atem an während des Berichts, der sich in allen Einzelheiten mit den Angaben des anderen Kapitäns deckt.
»Es stimmt, Omar. Du bist frei. Natürlich auch deine Mannschaft. Ich bin zufrieden mit dir.« Eine Entschuldigung hält der große Türke auch seinem besten Raub-schiffkapitän gegenüber für unnötig. Aber auch Omar denkt nicht daran, sich dem Herrscher dankend zu Füßen zu werfen.
»Wie deutet ihr euch die Sache?« fragt Hussein Pascha die beiden Korsaren.
Für Ismail ist alles undurchsichtig. Omar macht sich Gedanken. Sie aber auszusprechen, wäre verfrüht. Soeben sind sie ihm gekommen. Man muß sie erst gründlich auf Wahrscheinlichkeit hin prüfen.
»Auch du stehst vor einem Rätsel, Omar?« wendet sich der Dey nach langer Pause, während der er selbst zu einer Klarheit kommen wollte, endlich an den wieder in Gnade Aufgenommenen.
Man fragt, erwartet Antwort. Sollen Mutmaßungen in Worte gekleidet
werden? Aber: Der Dey war im Unrecht. Ist falsch, was gesagt wird, dann muß er es übersehen.
»Wenn nun…« Doch Omar stockt. Die Augen des Türken fordern: Weitersprechen. Er gehorcht.
»Wenn nun die Schiffe besiegt worden sind und die Geretteten allein aus Furcht vor dir falsch aussagten?«
»Von wem besiegt?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Dey überlegt. »Angenommen, deine Ansicht wäre richtig; warum aber gaben sie dich als Übeltäter an?«
»Alle blicken scheel nach mir. Nur eins, dem ,A1-Dschezair’ zu unterliegen, wird ihnen als glaubhafte Ausrede erschienen sein.«
»Nicht schlecht. Ich werde mir die Burschen holen, und sie werden sprechen, darauf verlaß dich!«
Mit einer Handbewegung verabschiedet der Dey die Kapitäne.
Die Menschen, die vor Stunden Omar steinigen wollten, lüstern noch bis vor wenigen Augenblicken auf seinen Tod warteten, jubeln ihm jetzt zu. Ismail ist der zweite Held des Tages.
Kuriere hatten die Aufhebung des Urteils in der Stadt verbreitet.
Die Mannschaft seiner Fregatte hat man bereits aus der Gefangenschaft entlassen. Sie empfängt ihren Reis schweigend. In ihrem Namen schwört ein Sprecher, daß sie mit Omar Himmel oder Hölle stürmen werde, wenn er sie dahin zu führen gedenke.
Der junge Kapitän ist gerührt von diesem Treuebeweis.
Er läßt sein Auge über die Männer schweifen. Kein Tür-ke ist darunter, alles sind Mauren und Neger. Der »Al-Dschezair« ist das einzige Schiff der Deyflotte, das nicht sechzig bis achtzig dieser Fremden unter der Mannschaft hat. Die beiden Toten, Omar Pascha und Mustapha, hatten die politische Tragweite einer türkenfreien Besatzung erkannt. Sollte Omar einmal einen Fehler machen, der der Deyherrschaft zum Nachteil gereichte, dann konnte der Herrscher mit gutem Gewissen sagen: Türken waren es nicht, liebe Freunde, die euch geschädigt haben.
Eine Anklage wie die jetzige wäre unsinnig gewesen, wenn Leute der Regierung mit ihm den Überfall auf die drei Schiffe verübt hätten. Zweifellos wären sie gegen die Untat gewesen, wenn sie nicht eine Auflehnung gegen Hussein Pascha planten.
Der Jubel um den gerechtfertigten Omar drang auch ans Ohr Benedettos. Der Italiener war gerade dabei, sich zur Abreise zu rüsten; denn der Kapitän galt in seinen Augen als verloren. Um den zweiten einlaufenden Segler hat er sich nicht gekümmert. Für ihn war der dunkle Lebensabschnitt »Algier« zu Ende. An das Wunder einer Rettung seines jungen Herrn glaubte er nicht.
Die Hochrufe auf Omar verscheuchen alle Gedanken an Abreise. Benedetto mischt sich unter die aufgeregte Menge, versucht sich mit den Ellbogen Platz zu schaffen. Obwohl er rücksichtslos drängt, kommt er nur langsam vorwärts. Als er am Hafen anlangt, stößt gerade ein Boot vom »Al-Dschezair« ab.
Weinend schließt der alte Mann Omar in die Arme. Gesprochen wird nicht. Die furchtbaren Stunden mit dem Tod vor Augen haben den Kapitän vollkommen erschöpft. Benedetto muß ihn stützen und das steile Gäß-
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