Unter Korsaren verschollen
seinen Untergang, bietet ihm keine Möglichkeit der Verteidigung; denn er hat ja… Aber nein, da war doch eine Begegnung, die für ihn zeugen kann.
»Frage Kapitän Ismail, dem ich kurz vor der von dir genannten Zeit in der Straße von Gibraltar begegnet bin.«
Die Minister und hohen Beamten, die der Vernehmung beiwohnen, tuscheln erregt. Sollte Omar doch im Recht sein?
»Kapitän Ismail, sprich! Sprich die Wahrheit, wenn dir dein Kopf lieb ist!« befiehlt der Dey. Schweigen.
»Nun, Omar, dein Zeuge entlastet dich nicht«, höhnt Hussein Pascha, der sich immer mehr in den Gedanken verbissen hat, Omar arbeite auf seinen Sturz hin.
»Ismail ist ja nicht hier!« brüllt der Kapitän auf.
»Sowenig hier, wie die Begegnung wahr ist!«
»Beim Barte des Propheten, ich spreche die Wahrheit!«
»Schwöre nicht, Verräter! Ich habe dir Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben. Hast du noch etwas zu sagen, was deine Unschuld beweisen würde?
Du schweigst, mußt ja schweigen; denn ein Täter hat nichts, was seine Tat vergessen machen könnte.«
Die Männer schütteln die Köpfe. Was fällt dem Dey plötzlich ein, das Recht so zu beugen? Zu allen Zeiten war Algier stolz auf die vorurteilsfreien Richtersprüche.
Und jetzt wagt es Hussein Pascha, diese Stärke der türkischen Herrschaft so zu brechen?
»Tschaouch-Baschi«, dringt des Deys Stimme in die Gedanken der Zuhörer, »nimm den Mann! Er muß bei Anbruch der Nacht den letzten Atemzug getan haben!«
Omar bäumt sich auf, schüttelt die Arme der Henkers-knechte von sich ab.
»Sterben, Hussein Pascha? Nicht ohne Kampf!« Er entreißt einem der umstehenden Janitscharen den Säbel, schwingt ihn – aber da fliegt ihm ein Turbantuch über den Kopf. Man preßt ihm die Arme auf den Rücken. Er ist wehrlos.
In einem der unterirdischen Gemächer der Kasbah harrt er der letzten Stunde. Wann wird sie anbrechen? Kein Sonnenstrahl fällt in das Verlies.
Schon? Die Tür knarrt. Man holt ihn, ihn, den kühnsten Korsaren.
Für einen Augenblick vergeht die Angst vor dem Tod.
Überall stehen Janitscharen mit blankem Säbel. So sehr fürchtet man ihn? Feiglinge.
Aber es geht nicht ins Freie, nicht zu der mit Eisenspit-zen bestückten Mauer, über die man so gern zum Tode Verurteilte stürzt.
Gänge entlang, Treppen hinauf. Vor dem Thronsaal muß er mit der starken Bewachung stehenbleiben. Hat es sich Hussein Pascha anders überlegt, oder will er sich nur noch einmal am Anblick des dem Henker Über-schriebenen weiden?
Vor kurzem war ein Mann zum Schloß emporgehetzt, hatte die ihm den Eingang verwehrenden Posten angebrüllt, daß er sofort zum Dey müsse. Endlich, nachdem ein hoher Offizier herbeigerufen worden war, hatte man ihn durchgelassen. Noch vor der Tür zum Thronsaal hatte man ihn zurückweisen wollen. Er hatte blankgezogen.
Ehe die Wachen sich besonnen hatten, war er durch die Tür und in die Hände anderer Beschützer des Herrschers gefallen.
Ein Minister trat heran. Der Fremde flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Schweig!« wurde ihm geboten.
»Nein, ich schweige nicht!« brüllte der Eindringling, auf den aller Augen gerichtet waren. Mit lauter Stimme rief er in den Saal: »Hussein Pascha!«
Der Dey, bisher in ernstem Gespräch mit dem Beit-elmal, dem Oberrichter, wegen der Mannschaft des »Al-Dschezair«, blickte auf. »Ismail, du?«
Der Korsarenkapitän näherte sich ehrfürchtig dem Türken, warf sich zu Boden.
»Steh auf! Was willst du von mir?« fragte Hussein Pascha.
»Ein Gerücht geht um in der Stadt. Ich bin eben erst zu-rückgekehrt, habe alles stehen- und liegenlassen, um zu dir zu eilen. Omar hat das Verbrechen nicht begangen, für das du ihn anklagst, wie ich hörte. Zur angegebenen Zeit ist er mir in der Straße von Gibraltar mit Kurs nach dem Atlantik begegnet. Omar ist nicht mein Freund, denn er ist zu erfolgreich und kühn, aber du darfst keinen Unschuldigen verurteilen.«
»Berichte. Wie kam es zu eurem Zusammentreffen?«
»Wie schon gesagt: Ich traf den ,A1-Dschezair’ in der Straße von Gibraltar, besser, er segelte mir über den Weg. Meine Ankerkette war gerissen, als ich einem Spanier auflauerte, der Anker selbst ging verloren. Vielleicht konnte mir Omar helfen, bis ich einen neuen Anker gekapert hatte. Ich betone erneut, wir sind keine Freunde, aber beide deine Diener, Herr. So überwand ich mich und bat den Mann um Hilfe. Omar gab. Dann segelte er weiter hinüber in den Ozean. Ich selbst habe dann auf den Spanier Jagd gemacht. Das
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