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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Herzen gefallen. Roger erzählte mir, daß dich dein Vater schon vor längerer Zeit beauftragt habe, nach der Hauptstadt zu reisen und dort zu forschen. Nimmst du mich mit, Pierre-Charles?«
    »Rund heraus: Nein!«
    Parvisi ist bestürzt. Er hält de Vermont zu allem fähig, aber mehr wird in diesem Falle er selbst, der Vater, erreichen können. Der Franzose ist bestimmt ein lieber, treuer, zu jedem Dienst bereiter Freund, aber Spürhund sein, wie er es sich zutraut, kann ein Fremder nicht.
    Werde ich es denn nicht spüren, nicht fühlen, wenn ich meinen Lieben nahe bin? Werden mich nicht unsichtbare und doch starke Fäden zu ihnen ziehen? Raffaela und Livio gehören ja zu mir, zu mir allein. Ich würde sie finden.
    »Ich muß nach Algier, Pierre-Charles!« begehrt er auf.
    »Du, der Genuese?!«
    »Der Gatte und Vater!«
    »Eben deshalb wäre es Wahnsinn, dich mitzunehmen.
    Bist du sicher, nicht den Kopf zu verlieren, wenn du Spuren findest, die Schreckliches ahnen lassen? Du bist es nicht, Luigi. Dein Zusammenzucken schon bei dieser Andeutung beweist, daß du ihnen nicht helfen kannst; in dein eigenes Verderben würdest du rennen.«
    »Ich werde mich zusammenreißen. Laß mich mitgehen!«
    De Vermont hat nur zu recht, Parvisi weiß es. Aber die Sehnsucht, seinen Nächsten wenigstens nahe zu sein, treibt ihn, die Bitte zu wiederholen.
    »Leere Worte. Wenn jemand etwas erfährt, bin ich es.
    Betrachte es nicht als Überheblichkeit. Ich kenne die Türken, die Mauren, die Kabylen, Neger und Juden in Algier, bin beim französischen Konsul eingeführt und seit Jahren mit dem Denken und Handeln dieser Menschen vertraut. Man übertölpelt El-Fransi nicht so leicht.
    Manchmal vergleiche ich mich mit den Waldläufern in Nordamerika. Ähnlich verläuft mein Leben, wenn ich durch die Schluchten des Atlas streife: immer auf der Hut, immer zu Angriff und Abwehr bereit. Kein Mensch zweifelt daran, daß du darauf brennst, deine Angehörigen aus dem unmenschlichen Dasein, das ihnen in der Sklaverei bereitet sein kann, zu befreien. Aber du darfst dabei keine Dummheiten machen. Nicht Mittel anwenden wollen, die gänzlich ungeeignet sind.«
    »Und wenn du keine Spuren entdeckst?«
    »Damit müssen wir rechnen. Doch verlaß dich auf mich, Luigi.«
    »Wieder warten, Stunde um Stunde, Tage um Tage.
    Furchtbar. Laßt mich etwas tun!« Parvisi meint, mithelfen zu dürfen.
    Pierre-Charles hört nur das Wort »tun«. Sehr gut. Luigi muß beschäftigt werden, damit seine Gedanken abge-steckte Wege gehen.
    »Warum nicht? Gern, Luigi. Es schwebt mir vor, einmal eine wissenschaftliche Arbeit über die noch auffind-baren Zeugen Roms in Algerien zu schreiben. Ich durch-streife das Land, um es in dieser Hinsicht kennen-zulernen. Du bist ein begabter Zeichner, ich nur ein Stümper. Was mein Stift nicht oder nur kindlich auf das Papier bannen kann, habe ich durch eingehende Beschreibung verständlich zu machen versucht. Nimm diese Aufzeichnungen, vertiefe dich in sie, und wenn meine Worte klar genug dazu sind, so versuche das Gesehene ins Bild zu übertragen.«
    »Gern, sehr gern, Pierre-Charles!« Parvisi stürzt sich mit Feuereifer in die Arbeit.

    IN ALGIER
    Pierre-Charles de Vermont ist auch diesmal wieder von dem phantastisch-schönen Anblick, den das Raubnest Algier von der See her bietet, überwältigt.
    Da liegt sie, blendend in ihrer Weiße, sich wie ein mächtiges dreieckiges Segel dem Bergrücken Boujareah anschmiegend, unbeschreiblich herrlich – die verfluchte Stadt. Die Augen können so viel Glanz und Pracht gar nicht fassen. Man muß sie schließen, und doch dringt das Licht, hart zurückgeschleudert von dem strahlenden Dreieck, noch durch die Lider. Märchen aus Tausend-undeiner Nacht ist Algier. Unermeßliche Reichtümer müssen in ihren Mauern aufgestapelt sein. Was wäre sonst solch ein Märchen ohne Gold und blitzendes Ge-schmeide in riesigen Mengen?
    Zu ihren Füßen liegt als kostbarer Teppich das sattblaue Meer, übet dessen Wellenkämmen die Luft zu tanzen, zu singen, zu jubilieren scheint. Aus dem Häusermeer rek-ken die Moscheen, angeführt von der Großen Moschee am Hafen, schlanke, spitze Finger, die Minaretts, empor.
    Nicht bis in den Himmel; denn der Bergrücken erdrückt alles Hinauf streben zu Gott, zu Allah. Kasernen der Janitscharen, des türkischen Militärs, dazwischen und Verwaltungsgebäude, Synagogen der jüdischen Bevölkerung. Als Krönung und Triumph des Ganzen, Spitze des riesigen Segels, die Kasbah, das

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