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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Allahs Ratschluß aufbäumen! Solange die Völker und Stämme nicht um eine Fahne geschart sind, nicht einem Führer, einem Mahdi, folgen, besteht im Innern keine Gefahr für die türkischen Eindringlinge.
    Viele Schwarzgekleidete sieht man in den Straßen und Gassen der Stadt. Es sind Juden, die man zwingt, die bei den Muselmännern verhaßte Farbe zu tragen. Verachtet, geknechtet, von Überfällen bedroht sind diese Menschen. Mancher Dey hat die Kosten für die Eroberung des Throns von den Juden eingetrieben. Niemals sind sie sicher, daß nicht plötzlich die Janitscharen ihre Häuser überfallen und davonschleppen, was nur einigen Wert zu haben scheint. Würde ein Jude es wagen, nur die Hand gegen ein maurisches Kind zu heben, er müßte es mit dem Tod durch den Strang oder das Feuer büßen. Auf der einen Seite verachtet, geknechtet, bedroht, allen möglichen Drangsalen unterworfen, auf der anderen gesucht und benutzt von den Machthabern. In ihren Händen laufen alle Geldgeschäfte der Regentschaft zusammen. So duldet man sie und ihren Handel mit Freund und Feind, zieht Vorteil aus ihrem Wissen um Dinge, die den Herren sonst nicht zu Ohren kommen.
    Nicht selten tauchen Neger in den Straßen auf. Manche der Kinder des Südens bekleiden sogar hohe Staatsämter. Verständlich. Die Türken sind Fremde im Land, die Neger auch. Sie hassen die Herren nicht so, wie es die Mauren, die Berber und die unabhängigen Bergbewoh-ner, die stolzen, großen, kräftigen, blonden Kabylen, tun, die man nur selten im Gewimmel der Hauptstadt sieht.
    Wenn sie die Schluchten und Klüfte der Atlasketten verlassen, dann geschieht es fast immer nur in feindlicher Absicht. Sie sollen die Abkömmlinge der alten Numider sein, vielleicht auch die der Goten und Vandalen. Eins zeichnet sie vor allen anderen aus: Sie sind Feinde der Türken. Jeder einzelne für sich. -
    De Vermont ist zur großen Hauptstraße gelangt, die sich parallel zur Küste vom Bab-Azoun (Bab = Tor) im Süden zum Bab-el-Oued im Norden hinzieht. Im Augenblick schenkt er dem bunten Treiben in den Kaffeehäusern und den in Mauernischen aufgeschlagenen Kaufmannsständen, den Händlern und Krämern, den Gold- und Zeugschmieden, den Schustern, Schneidern, Barbieren, Schreibkundigen, die alle hier ihr Glück machen wollen, keine Aufmerksamkeit. Die dik-ken, gravitätisch mit untergeschlagenen Beinen sitzen-den Krämer, die eine unvorstellbare Ausdauer im Feilschen haben, die ihre Pfeife schmauchenden Türken, die Kranken und Bettler werden die Straße auch später noch bevölkern, wenn er mit dem Konsul gesprochen hat und ihm vielleicht Zeit zu Studien bleibt.
    Dieser Straße, eine der wenigen, die den Namen Straße verdient, folgt der junge Franzose bis zum Ende. Dann biegt er nach Westen ab. Das Konsulat Frankreichs liegt außerhalb des Dreiecks, im grünen Kranz. Vorbei geht es am Friedhof der Christen zur Rechten, zur Linken später am Landhaus des Deys.
    »Monsieur de Vermont! Was führt Sie zu mir?« be-grüßt ihn der Konsularagent.
    »Sollten Sie es nicht wissen, Verehrtester?«
    »Sie meinen die Sache mit der ,Astra’?«
    »Mein Vater bat Sie, Erkundigungen wegen der Überlebenden des Kauffahrers einzuziehen.«
    »Ich habe mir den Wunsch Ihres verehrten Herrn Vaters natürlich angelegen sein lassen. Leider – ich bedauere es außerordentlich – konnte ich bisher nur wenig tun.
    Meine Stellung, wie die aller anderen europäischen Vertreter, ist im Augenblick sehr – sagen wir schwierig.
    Napoleons Abdankung, Sie verstehen! Am besten, man kommt dem Dey sowenig wie möglich unter die Augen.«
    »Die neue politische Lage beunruhigt ihn?«
    »Können Sie jemals einen Orientalen ganz durchschauen? In diesen Gesichtern kann man nicht lesen wie in einem Gesicht unserer Landsleute. Die blumenreiche Sprache des neuen Deys, Omar Pascha, ist vorzüglich geeignet, ihn sich wie eine Schlange winden zu lassen.
    Man glaubt plötzlich etwas Greifbares, Bestimmtes herauszuhören, aber schon gleitet es in blitzschnellen Win-dungen davon. Auf zuckersüßes Geschwätz folgt ein übersüßter Hieb. Herr de Vermont hat mir eine Nuß mit steinharter Schale zugeworfen.«
    »Es müssen doch Spuren von der ,Astra’ zu finden sein«, wirft Pierre-Charles ein.
    »Das Schiff ist noch da. Sahen Sie es nicht im Hafen liegen?«
    »Ich habe nicht darauf geachtet, kenne es auch gar nicht.«
    »Es ist bereits verkauft.«
    »Wer hat es?«
    »Livorno. Die Italiener können für einige Zeit unbedenklich

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