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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Schloß des Deys.
    Um diesen weißen Zauber legt sich ein grüner Kranz.
    Es ist nicht das jauchzende jugendliche Grün frischer Maien, sondern das dunkle, satte, immer lebende der Zypressen, Öl- und Feigenbäume, der Palme und des Rhododendrons.
    Auch heute kann sich der Franzose der gewaltigen Wirkung, die der Anblick Algiers auf jeden ausstrahlt, nur schwer entwinden. Parvisis Geschichte allein zerstört die unsichtbare Fessel. Nein, er läßt sich nicht mehr täuschen und blenden von dem schönen Bild. Die Sklaverei, das aller Menschlichkeit hohnsprechende Handeln der Deys und ihrer Leute, war ihm, wie Millionen anderer Europäer, bekannt. Bekannt, mehr nicht. Es betraf ihn nicht. Frankreich war frei davon. Es zahlte jährlich seine dreißigtausend spanischen Dollar, die die Herren Algiers forderten, für das Recht der Korallenfischerei und die Handelsvergünstigungen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ein normales Geschäft. Die anderen? Daß Neapel vierundzwanzigtausend spanische Dollar Tribut für den Schutz seiner Schiffe jahrein, jahraus dem Dey mit Ver-beugungen überbringt, ohne sich gedemütigt zu fühlen, daß Schweden, Dänemark, Portugal sich zu gleichen Zahlungen bereitfinden, sind ihre Angelegenheiten. Oder doch nicht? Laden damit diese Staaten nicht Schuld vor ganz Europa auf sich? Sie wissen etwas zu ihrer Rechtfertigung: Die Korsaren fallen sonst über ihre Schiffe her, sie rauben Güter und – Menschen.
    »Zum französischen Konsul. Fahrzeug der Compagnie d’Afrique«, unterrichtet er den Hafenmeister. Der macht keine Schwierigkeiten. Er kennt die kleinen Segler mit der französischen Flagge im Topp.
    Das Märchen verfliegt, wenn der Fremde die Stadt betritt. Schmale, dunkle, steile Gassen, mehr Treppen als durchgehende Wege. Schmutzig und verwahrlost. So eng sind sie, daß kaum ein Sonnenstrahl zur Erde herabdringen kann, und doch noch breit genug für Was-serrinnen. Häuser mit vergitterten Fenstern, wenige, kleine Fenster nur. Menschen aller Hautfarben schleichen an den Mauern entlang, beugen sich über Brunnen, deren es viele in dieser heißen Stadt gibt. Zerlumpte Gestalten hocken in Winkeln, flüchten, wenn ein türkischer Soldat kommt, kehren zurück, sobald das Klappern seiner Pantoffeln verhallt ist, nehmen den alten Platz wieder ein und warten… auf nichts. Wehe aber dem Un-glücklichen, dessen Unachtsamkeit einen Janitscharen streifte! Die Bastonnade, Ausgepeitschtwerden, wäre das Geringste, was ihm widerfahren könnte, jahrelange Zwangsarbeit im Marinearsenal das Schlimmere. Der Dey braucht immer Arbeiter, billige Hände. Wer ist billiger als ein Verbrecher? Und es ist ja ein Verbrechen, einem Türken zu nahe an den Leib zu rücken. Zwischenfälle sind leicht herbeizuführen, Richtersprüche in wenigen Minuten gefällt. Aus. Für Jahre aus, wenn nicht für immer; es sei denn, der allmächtige Herrscher fiele selbst, und seine Gegner befreiten die Verurteilten, um sich Freunde zu schaffen. Das kann geschehen von heute auf morgen. Vergiß nie, Dey, Gewaltherrscher ohne Grenzen, das Grab! An einem Tag gelangten sieben auf den Thron, kaum für Stunden – an einem Tag sieben ins Grab. Viele haben die Würde eines Paschas mit drei Roßschweifen mit Hilfe ihrer Freunde an sich gerissen; da drehte sich der Wind, eine andere Partei gewann die Übermacht – der Kopf rollte in den Sand. Es ist gefährlich, Dey – Oheim bedeutet das Wort – zu sein, wenn die Janitscharen, deren einer du warst, es sich plötzlich anders überlegen.
    Aber Allah sei Dank! Gefahr droht nur von den eigenen Leuten, die man mit Posten und Ämtern und Geschenken beruhigen kann. Die viel mächtigeren europäischen Nationen, deren See- und Landstreitkräfte der Macht Algiers weit überlegen sind, die – zahlen, bitten durch ihre Konsuln um gutes Wetter bei dem Dey. Sie nehmen Schmähungen ihrer Vertreter hin, spielen zwar wie die Kinder die Beleidigten, aber schicken am Ende wieder Geschenke.
    Und die Eingeborenen draußen im riesigen Land, für die man Fremder ist? Sie murren ab und zu. Wagt ein Kabylenstamm, ein Dorf oder eine Familie einmal einen Privatkrieg, dann ist es nichts als eine Plänkelei. Nichts, wirklich nichts. Im Handumdrehn sind solche Zwischenfälle beseitigt. Eine große Anzahl Stämme, verschiedene Rassen sind es,
    die man gegenseitig aufstachelt und sich bekämpfen läßt. Es ist von Allah bestimmt, wie alles im Leben, daß eine kleine Anzahl Türken herrschen soll – wer wollte sich gegen

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