Unter Korsaren verschollen
an. Ali nickt. Achmed nickt.
Mit zwei großen Schritten haben sie Omar eingeholt, einer rechts, einer links.
Eine kleine Hand schiebt sich in Omars Rechte, eine andere in seine Linke.
»Warum weinst du denn?« fragt der kleine Neger, dem auch schon die Tränen kommen.
»Ich – ich – Ach, ihr lacht mich auch aus wie alle.«
»Nicht böse sein«, bittet Achmed. »Wir tun es bestimmt nicht wieder. Weißt du, du hast es so drollig gesagt, daß man wirklich lachen muß. Hör zu! Spiel mit uns, sei unser Freund. Dann wirst du alles ganz leicht und schnell lernen.«
»Ihr erlaubt es?« Ungläubiges, aber von Hoffnung und Freude beschwingtes Fragen ist es.
Die Buben nicken bestätigend.
Schon wieder stehlen sich Tränen in Omars Augen, diesmal aber aus Glück.
»Nun habe auch ich Freunde, richtige Freunde!« jubelt der Kleine. »Oh, ich danke euch! Ihr könnt gar nicht wissen, wie herrlich das ist. Ich werde euch immer, mein ganzes Leben lang liebhaben! Ali – Achmed!« Auch auf die neuen Freunde springt etwas von Omars unbändiger Freude über. Vergessen ist die Drohung Mahmuds.
»Kommst du mit, die Schafe weiden?« fragt Ali. »Natürlich, natürlich! Und Achmed?«
»Der auch. Wir sind ja immer zusammen.«
Mit rührender Ausdauer sprechen die neuen Freunde dann Omar die Gebete vor, bis er sie fehlerlos aufsagen kann. Aus seinem Munde kommt zwar alles noch mit dem fremden Klang, aber man merkt, daß sie verstanden worden sind.
Soviel und so spielend leicht wie an diesem Nachmittag hat er noch nie gelernt, Es ist kein richtiger Unterricht, den ihm die beiden geben. Aber wenn man nicht immer wie auf einem Schlangennest sitzen muß, nicht die schläfrigen und plötzlich wie Dolche zustoßenden Augen des Lehrers auf sich gerichtet fühlt, macht das Lernen viel Spaß.
Daß es die Befreiung von dem Druck ist, der die ganze Zeit auf ihm als einem Fremdling, einem nicht hierher Gehörenden lastete, das ihn so vorwärtsbringt, weiß Omar nicht.
Er, dessen Heimat nicht Algier ist, ist auf dem Weg, ei-ne neue Heimat zu finden. Menschen, die ihn lieben, bereit waren und immer bereit sind, mit den Fäusten die Freundschaft zu verteidigen, machen ihn heiter.
Für Mahmud und seine Anhänger ist Omar in Zukunft Luft. Man sieht über ihn hinweg. Ali und Achmed wundern sich darüber. Sie hatten damit gerechnet, daß es in nächster Zeit zu einem großen Krach, zu einer wüsten Schlägerei kommen werde. Nichts davon.
Als Ali einmal dem Vater die ganze Geschichte erzählt und auf das unerwartete Verhalten Mahmuds eingeht, erfährt er, daß des Rätsels Lösung bei den Eltern zu suchen ist.
Omar und die Stellung der Kinder zu ihm war zu einem wichtigen Fall geworden, über den man gemeinsam beraten hat. Es ist besser, dem gehaßten und gefürchteten Dey im Augenblick keine Handhabe für einen Zornes-ausbruch zu bieten. Wie man im tiefsten Herzen den fremden Herrscher haßt, so auch seinen Schützling Omar. Vorerst aber wartet man ab. Letzteres jedoch er-fährt Ali nicht, auch nicht, daß Alis Vater vom Rat der Ältesten Anweisung erhalten hat, seinen Jungen in der Freundschaft zu dem kleinen Fremdling zu bestärken.
Sollte der Dey plötzlich Erkundigungen nach Omar einziehen, so wird man immer darauf hinweisen können, daß die Kinder ihm aufrichtig zugetan sind, ja, daß das ganze Dorf zu ihm steht. Eines Tages wird man mit beiden, dem Dey und Omar, abrechnen.
Der bisher schüchterne Omar entwickelt sich mit der Zeit zu einem richtigen kleinen Strolch, wird ein ganz anderer, lebhaft, vorlaut, mutig, ein Draufgänger, der vor nichts Angst hat. Erst haßte man ihn, dann war er geduldet, jetzt kann man fast von Liebe aller zu dem aufge-weckten Jungen sprechen. Algier kümmert sich nicht um ihn. Das ist gut, finden die Dörfler, gut für sie und gut für Omar. Anscheinend bestehen doch keine engen Verbindungen zwischen dein Herrscher und ihm.
Die unzertrennlichen Freunde, Ali, Achmed und Omar, sind auf der Jagd. Gestern hatte der kleine Neger in den Bergen die Spur eines unbekannten Tieres von Katzen-größe gefunden. Ein unbekanntes Tier? Das müssen wir haben, hatte Omar entschieden. Die anderen waren der gleichen Meinung. Gemeinsam ging man für alle Fälle an den Bau einer Falle. Da Omar sich bei dieser Arbeit nicht beteiligen kann, weil er nichts davon versteht, muß er nun wenigstens helfen, das Ding einzugraben und zu tarnen. Die Spur hatte man gefunden, lange herumgerät-selt, nach dein Tier selbst auch gesucht, es
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