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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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offenbar Wert darauf, erkannt zu werden. Der diensthabende Oberkellner weiß das. Mit ausgesuchter Höflichkeit hat er uns zum Tisch geleitet. Man könnte glauben, ich sei mit dem englischen Kronprinzen da. – Wobei der ja gewissermaßen das Schicksal von Ex-Vizekanzler Gruber teilen könnte: niemals Nummer eins zu werden. Die Speisekarte bietet wie immer alles für jene, die als Gourmets gelten wollen. Und auch ein paar Dinge, die ich interessant finde. Frittierter Sepia und Peperoncino mit Reispapier auf pikanter Tomaten-Chili-Creme. Das könnte ich nehmen. Gruber macht eine ausladende Geste und hätte beinahe die Weingläser vom Tisch gestoßen. „Sie sind natürlich mein Gast!“ Fällt das jetzt unter Bestechung? Diesmal hab ich ein wenig nachgeforscht, bevor ich mich mit meinem Informanten getroffen habe. Politiker anderer Parteien werfen Gruber nicht nur vor, seine früheren Regierungskontakte jetzt für kommerzielle Geschäfte zu nutzen, sondern auch, dass er für Entgegenkommen bar bezahlen soll. So einfach ist das bei mir allerdings nicht. Einladen darf er mich trotzdem, beschließe ich. Ich muss ja nicht schreiben, was er möchte.
    Ich brüskiere die schicke Gesellschaft der Prosecco- und Aperitiftrinker, indem ich um einen Sommergespritzten bitte. Ich will einen klaren Kopf bewahren. Gruber blinzelt auf die Karte. Ich habe den Verdacht, dass er die kleine Schrift nicht lesen kann, aber zu eitel ist, um eine Brille aufzusetzen. Da kann ich ihm auch nicht helfen. Er ist gegen sechzig. Was glaubt er? Dass ich hier mit ihm sitze, weil ich ihn für einen knackigen Jüngling halte? Er wäre ohnehin nicht mein Typ. Nicht dick, aber irgendwie teigig, wie aus der Form gegangen. Schüttere graubraune Haare und ein Blazer, der an ihm protzig wirkt. Zu große goldene Knöpfe. Der Einzige, der so ein Stück tragen könnte, ist Vesnas Valentin. An ihm sähe sogar das sportlich-lässig aus. Er würde es allerdings auch niemals zu grauen Hosen, sondern nur zu Jeans anziehen. An Gruber scheint der Blazer zu kleben. Oskar vermeidet Vergleiche wie diesen, indem er bei Gerichtsverhandlungen und Geschäftsterminen einen seiner drei eher unauffälligen Anzüge trägt und ansonsten klassisch geschnittene Sakkos verweigert. Poloshirts, Jeanshemden und Leinenjacken tun es auch. Gruber umgeht seine Leseschwierigkeiten, winkt den Oberkellner heran und lässt sich ein Menü empfehlen. Ich bin keine, die viel zu Mittag isst – und schon gar nicht bei Terminen, die ich eindeutig unter „geschäftlich“ reihe. Ich bestelle den Sepia und ernte zwei vorwurfsvolle Blicke. Das sei aber bloß eine Vorspeise, werde ich vom Kellner informiert. Um eine Speisekarte verstehen zu können, reicht meine Intelligenz gerade noch. Wie es denn als Hauptgang mit dem kurz gebratenen Rindercarpaccio auf Pfeffercreme wäre? Ganz leicht sei das.
    „Ist ‚Carpaccio‘ nicht eigentlich rohes hauchdünn geschnittenes Rindfleisch? Hier ist es gebraten? Interessant“, sage ich mit der Miene einer amüsierten Restaurantkritikerin.
    „Es ist ohnehin nur kurz gebraten“, murmelt der Oberkellner und wirft dem ehemaligen Vizekanzler einen hilfesuchenden Blick zu.
    „Ich hätte es gerne roh“, lächle ich. Wenn sie da Zirkus machen, kann ich das auch.
    „Carmen ist übrigens eine reizende junge Frau“, wechselt der Chefberater von „Pure Energy“ das Thema. „Sie sind irgendwie verwandt, hat sie durchklingen lassen.“
    Ich nicke. Mir erscheinen unsere Verwandtschaftsverhältnisse zu persönlich, um sie ihm genauer zu erklären. „Es muss ein interessantes Praktikum sein, wenn sie gleich Kontakt zum Management hat“, schmiere ich ihm Honig um das Maul. Ich möchte wissen, was Carmen in der Firma wirklich tut.
    Er schmunzelt. Für Schmeicheleien ist er anfällig, registriere ich. – Wer allerdings nicht? „Wir sind uns mehr auf … gesellschaftlicher Ebene begegnet“, fügt er hinzu.
    Dass ich daran nicht gedacht habe. „Sie arbeitet als eine Art von Hostess, nicht wahr?“
    Gruber sieht mich empört an. „Was halten Sie von ihr …“
    „Ich hab nicht so eine Hostess gemeint“, präzisiere ich. „Ich dachte an junge Damen, die die Geschäftsführung begleiten …“ Es wird nicht besser. „… mit Akten und Informationen und so. Und in ständigem Kontakt mit dem Internet natürlich.“
    „Sie ist in unserem Umweltdepartment beschäftigt, übersetzt Unterlagen ins Italienische – das hat sie ja immerhin studiert – und arbeitet außerdem

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