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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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zu tauschen oder um am Kirschgarten zu quanteln und ein paar Zigaretten einzutauschen. Koch war froh, dass er dieses Laster schon vor über fünfzehn Jahren aufgegeben hatte, noch als er in Deutschland lebte. In Paris und auch in Spanien war er als Nichtraucher ein Exot. Gerade in Spanien war ihm das in manchen Momenten sehr schwer gefallen, wenn der Kopf ihm sagte, dass er sowieso nicht lebendig aus dieser Hölle entkommen würde.
    Jetzt war er nicht wie so viele andere gezwungen, sein Hab und Gut oder auch nur seine Lebensmittelkarten gegen Zigaretten einzutauschen und dabei ständig den aktuellen Umtauschkurs im Kopf zu haben, der bei fünf bis acht Mark für eine amerikanische Zigarette lag.
    Vor seiner Bürotür wartete Siggi schon, im Gesicht ein breites Grinsen und in der Hand eine Art Aktentasche. Der Junge sah übermüdet aus, das erkannte Koch sofort, aber seine Augen funkelten und um seinen Mund lag ein Dauerlächeln.
    Kaum waren sie im Büro, entnahm Siggi der Aktentasche eine Flasche und reichte sie Koch.
    „Vielen Dank!“, sagte er, grinste immer noch.
    „Das ist ein Rheingauer Riesling. Hab ich von einem Onkel.“
    „Wofür, Siggi?“, fragte Koch zurück.
    „Das Ruhestein-Bergrennen. Das war gigantisch, Herr Koch. Ich habe mir seit …“, er dachte kurz nach, „… seit vierundvierzig Stunden die Hände nicht mehr gewaschen, weil ich …“
    Er sah seinen Vorgesetzten erwartungsvoll an, doch der zuckte mit den Schultern.
    „… weil ich Hermann Lang die Hand geschüttelt habe. Und ich durfte mich in seinen BMW setzen. Ich habe sein Lenkrad in der Hand gehabt. Das Lenkrad von Hermann Lang. Und wissen Sie, wen ich noch alles gesehen habe? Den Hans Stuck, Heinz Mölders, der hat einen 6-Zylinder MG gefahren, Baron de Bary und da waren ein Maserati und Bugattis. Das war so gigantisch. Ich will auch Rennen fahren.“
    „Wenn Sie groß sind …?“, spottete Koch, lächelte aber milde.
    „Wissen Sie, wann Lang angefangen hat? Früh, ganz früh. Aber es ist nicht zu spät. Hermann Lang hat zu mir gesagt, dass man sofort spürt, dass ich Benzin im Blut habe. Mensch, Herr Koch, das war das Allergrößte. Ich muss jetzt herausfinden, wo das nächste Rennen ist.“
    Es klopfte an der Tür. Beide Männer wandten sich gleichzeitig um. Reuber streckte seinen Kopf rein.
    „Man hört Sie ja bis auf den Flur, Siggi. Scheint ja eine Mordsgaudi gewesen zu sein?“
    Der Junge wollte wieder so euphorisch einsetzen, aber Reuber unterband das mit einer Handbewegung.
    „Siggi, ich kann Ihre Begeisterung verstehen, aber Sie haben schon mitbekommen, dass da drei Leute umgekommen sind?“
    Von einem auf den anderen Moment wich das Lächeln und die fröhliche Stimmung aus Siggis Gesicht.
    „Ja, ja“, antwortete er kleinlaut.
    „Ich will Ihnen nicht die Stimmung vermiesen, aber das dürfen Sie nicht vergessen.“
    „Ja, klar“, sagte Siggi, „aber es war eine so tolle Stimmung. Es sollen über 30.000 Leute da gewesen sein. Von überall her. Alle haben einem geholfen. Das war wie eine große Familie.“
    Koch zog seine Augenbrauen hoch. Das hatten sie doch erst gehabt. Doch Reuber intervenierte.
    „Das kann im Guten wie im Schlechten funktionieren, Siggi. Da war es im Positiven. Aber seien Sie immer auf der Hut. Irgendetwas müssen wir ja gelernt haben.“
    Siggis Begeisterung war nicht zu bremsen. Er überreichte auch Reuber eine Flasche Rheingau Riesling. Nun war es an ihnen, Siggi zu erzählen, was in der Zwischenzeit vorgefallen war und dass weder der Mord an Peter Gerber noch der des Wachmanns in Bodenheim oder der angebliche Unfall-Tod von Franz Hartmann aufgeklärt waren.
    Am Abend verabschiedete sich Koch von den Kollegen. Er gab vor, nach dem gestrigen Tag wieder seine Erkältung zu spüren und dass er vorsorgen wolle. In Wirklichkeit aber fuhr er mit der Straßenbahn bis zur Zwerchallee und ging von dort zu Fuß nach Mombach und zu der von Brunner angemieteten Halle. Das Tor war mit einer Kette und einem Vorhängeschloss gesichert. Koch nahm an, dass das richtige Schloss bei der Razzia aufgebrochen worden war.
    Die Halle schien menschenleer. Aber das hatte Koch in seine Überlegungen miteinbezogen. Es gab noch einen Ort, an dem er hoffte, Glodkowski anzutreffen oder zumindest Informationen über seinen Aufenthaltsort zu erfahren. Siggi hatte beobachtet, wie die beiden Männer in einer Kneipe in Mombach verschwunden waren. Genau dorthin wollte er, auch wenn dies ein großes Risiko darstellte, zumal er

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