Unter Trümmern
wieder ein normales Leben möglich wäre. Schon jetzt hieß es, dass die Ernte nicht genug für eine ausreichende Versorgung im nächsten Winter hergeben würde.
Kaum war er in seinem Büro, kam Siggi herein.
„Herr Koch, da sind Sie ja. Ich habe Sie schon gesucht.“
„Sie sind ja ganz aufgeregt, Siggi. Was ist denn?“
„Also, der Werner Eckes, der Tote aus Mombach, das ist ein Cousin von Glodkowski.“
Koch schluckte und wandte sich ab. Er erinnerte sich, dass er Glodkowskis Gesicht vor sich gesehen hatte, als er auf den Mann einschlug.
„Was ist, Herr Koch?“, fragte Siggi.
Der atmete einmal tief ein und aus und drehte sich wieder dem Jungen zu. „Nichts, nichts. Ist nur, dass das … das ist echt ne Nachricht, Siggi. Wie haben Sie das denn rausgefunden?“
„Ich habe in den Akten gelesen, dass die früher mal im selben Haus gewohnt haben. Ich habe ein wenig in den Stammbäumen geforscht und festgestellt, dass der Vater von Eckes und die Mutter von Glodkowski Geschwister sind.“
„Na, noch eine Verbindung. Sehr gut, Siggi, sehr gut.“ Doch Kochs Euphorie legte sich schnell, nachdem er einen Moment darüber nachgedacht hatte. „Aber es ist wieder nur eines dieser Puzzleteile. Das reicht für gar nichts. Klar, Eckes hat gelogen, als er sagte, dass er Glodkowski nicht kennt, aber was sagt das? Aber warum hat man ihn ermordet, nachdem ich ihn nach Glodkowski gefragt habe? Warum hat man ihn gefoltert? Was wollte man von ihm wissen? Oder diente das der Abschreckung? Und, wusste Glodkowski, dass man seinen Cousin umbringen will oder hatte er selbst seine Finger mit im Spiel? Und was hat Brunner damit zu tun? Wenn er in dem Puff mit drinhängt, und der ist, wie Bresson gesagt hat, Tarnung für eine Art Tauschbörse, in der sich, na, wie soll ich sagen, Amtsträger, Würdenträger treffen“, er musste darüber grinsen, „dann rührt daher auch die Protektion, die er offenbar genießt.“
„Puff?“, fragte Siggi verständnislos. Koch fiel ein, dass er dem Jungen davon noch gar nichts erzählt hatte.
„Ja, Siggi, die Sache zieht weite Kreise.“ Er konnte jetzt nicht mehr zurück. „Was ich Ihnen jetzt sagen werde, müssen Sie unbedingt für sich behalten. Unbedingt, Siggi. Verstanden?“
Der Junge stand stramm vor dem Kommissar.
„Ja, natürlich“, antwortete er sofort, und Koch fasste seinen nächtlichen Ausflug noch einmal zusammen. Siggi hörte ihm mit offenem Mund zu.
„Tauschbörse? Das hat Bresson Ihnen erzählt?“, fragte er, als Koch fertig war.
Koch klärte Siggi über sein Gespräch mit seinem Nachbarn auf. „Wir werden jetzt einfach noch mal Kärrnerarbeit machen müssen. Leute befragen. Nach dem Verhältnis zwischen Eckes und Glodkowski, was Eckes sonst so gemacht hat. Das ganze Programm. Und ich werde mich in Gonsenheim umhören, ob mir jemand etwas über die Verbindungen zu Brunner erzählen kann. Auf geht’s, Siggi, an die Arbeit!“
Dass er selbst die Befragungen in Gonsenheim durchführen wollte, hatte einen einfachen Grund. Er hoffte die Frau, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging, und mit der er außer bei ihrem Zusammenstoß in der Bäckerei noch kein Wort gesprochen hatte, wiederzusehen. Es verwirrte ihn, dass sie sich so häufig in seine Gedanken schlich. Während der Arbeit, wenn er abends alleine war, in seine Träume. Er wehrte sich dagegen, es kam ihm kindisch vor, wie eine jugendliche Schwärmerei, an eine Frau zu denken, die er gar nicht kannte.
Am Abend setzte sich Koch an den Küchentisch und schrieb einen Brief an seinen Sohn. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er in letzter Zeit so selten an ihn gedacht hatte.
Am nächsten Vormittag war er in Gonsenheim. Er mied es in die Nähe der Jahnstraße zu kommen, um nicht von Brunner gesehen zu werden. Er lief die Breite Straße entlang, streifte durch die engen Gassen, kam auch an der Bäckerei vorbei, in der er die Frau zum ersten Mal gesehen hatte, aber es stand eine andere Verkäuferin hinter der Theke, die ihm erzählte, dass Gerda, ihre Vorgängerin, fortgezogen war und sie selbst mit seiner Beschreibung der gesuchten Frau nichts anfangen könne.
Koch lief zur großen St. Stephanskirche, die Hauptstraße an einem der wenigen zerstörten Häuser vorbei hinunter bis zum Gonsbach, kam am Gerberschen Hof vorbei, wo das Tor geschlossen und alles ruhig war.
Koch ging in Geschäfte, sprach mit den Leuten, zeigte ihnen Bilder von Glodkowski und Eckes, fragte nebenbei nach der Frau, doch seine Beschreibung
Weitere Kostenlose Bücher