Unter Trümmern
das gesagt. Sie hat aber auch gesagt, dass …“, Koch suchte nach den richtigen Worten, „nicht, dass Sie mich falsch verstehen, aber sie konnte nicht bestätigen, dass Ihr Sohn erst Ende März gestorben ist, weil sie selbst sehr krank war.“
„Ja, aber … Rolf … ich bringe ihn doch nicht um … er ist doch mein Sohn … Neubert lügt. Er will, er hat …“ Mit einem Mal brach Dorle in Tränen aus.
Koch wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er war mit der Situation überfordert. Gerne hätte er die Frau einfach in den Arm genommen und ihr gesagt, dass er nicht glaube, dass sie ihren Sohn umgebracht habe. Aber das durfte er nicht.
Siggi bemerkte die Befangenheit seines Chefs, aber er wagte es dieses Mal nicht, von sich aus in das Gespräch einzugreifen. Dorle wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Frau Becker!“ Koch versuchte beruhigend zu klingen. „Wir haben außerdem die Aussage, dass Herr Bauer, der zu Ihren Gunsten ausgesagt hat, zum Zeitpunkt von Rolfs Tod noch gar nicht bei Ihnen … wohnte.“
Dorle antwortete nicht gleich.
„Er …“, begann sie, stockte und schlug die Hände vors
Gesicht.
„Frau Becker, bedroht Sie Herr Bauer?“
„Nein, nein.“ Sie sah zur Seite. „Nein“, wiederholte sie.
„Frau Molitor hält den Mann für einen Schwindler …“
Dorle fuhr ihm über den Mund.
„Franzi weiß gar nichts, gar nichts.“ Sie war sehr erregt. „Herr Bauer ist ein Kamerad meines Mannes und er hat mir Nachricht von ihm gebracht. Da lasse ich ihn hier ausruhen.“
„Und wo ist Herr Bauer jetzt?“
„Ich weiß es nicht. Er … er geht gerne spazieren.“
„Wie lange wird er bleiben?“
Dorle sah den Kommissar an. Hatte da ein anderes als professionelles Interesse durchgeklungen?
„Ich weiß es nicht. Bald. Bestimmt bald. Er muss ja zu seiner Familie …“ Sie klang nicht überzeugt.
„Frau Becker“, setzte Koch an, „wenn Herr Bauer gegen Ihren Willen in Ihrem Haus wohnt, können wir dafür sorgen, dass er geht. Wenn er Sie bedroht, müssen Sie uns das sagen. Wir helfen Ihnen.“
Sie sah den Kommissar wieder an. Dieses Mal lag Dankbarkeit in ihrem Blick. „Nein, das müssen Sie nicht“, entgegnete sie trotzdem. „Es ist alles in Ordnung. Herr Bauer bedroht mich nicht.“ Sie blickte auf den Boden. „Er ist vielleicht, wie alle Männer, die aus dem Krieg kommen, auf … gewisse Weise verroht, aber … nein, er bedroht mich nicht.“
Sie stand auf und ging in Richtung Haus.
„Wollen Sie Wasser? Es ist sehr warm heute.“
Ohne die Antwort der beiden Männer abzuwarten, eilte sie ins Haus.
„Glauben Sie ihr, Siggi?“, fragte Koch.
„Das mit dem Sohn, ja“, antwortete er, „aber mit Bauer, nein. Vielleicht hat er irgendetwas gegen sie in der Hand …“
„So, bitte!“, rief Dorle ihnen entgegen. Sie trug ein Tablett, darauf die Karaffe, die sie schon bei ihrem letzten Besuch benutzt hatte, und drei Gläser.
„Frau Becker“, begann Koch, nachdem sie die Gläser gefüllt und jedem eines gereicht hatte, „da ist noch ein Punkt. Nein, sogar zwei.“
Dorles Blick verfinsterte sich gleich wieder.
„Frau Molitor hat gesagt, dass Sie bei einem französischen Offizier arbeiten.“
Dorle nickte.
„Können Sie mir seinen Namen sagen?“
Sie zögerte.
„Capitaine Claude Jarrés. In der Küche. Ich helfe in der Küche und manchmal bei Empfängen.“
„Das ist aber ungewöhnlich, dass …“
Sie ließ ihn nicht zu Ende sprechen. „Ein Zufall. Ich koche auch gar nicht. Ich helfe nur. Gemüse schneiden, spülen und so.“
Sie nannte Koch die Adresse. Siggi schrieb alles auf.
„Und nun der zweite Punkt …“ Koch machte eine Pause.
Ihr Blick changierte zwischen Aufmerksamkeit und Furcht.
„Frau Molitor hat ausgesagt, dass Ihr Sohn mit Peter Gerber befreundet war …“
Sowie der Name fiel, ließ Dorle ihr Glas fallen. Mit einem Knall landete es auf dem Steinboden und zerbrach.
„Frau Becker … ist was?“, fragte Koch.
„Nein, nein. Ich … war einfach ungeschickt.“
„War Ihr Sohn mit Peter Gerber befreundet?“ Er ließ die Frau nicht aus den Augen.
Sie begann nervös die Scherben einzusammeln. Siggi half ihr dabei.
„Ja“, antwortete sie schließlich. „Das war vor dem Krieg. Lange her ist das. Peter war oft hier. Aber die Menschen verändern sich.“
„Wie meinen Sie das?“
„Peter ist … so anders geworden. So … ich weiß nicht.“
Sie musste sich beherrschen, das konnte Koch erkennen. Sie war
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