Unter Trümmern
Und jetzt gehen Sie!“
Dorle zögerte einen Moment und machte sich auf den Weg. An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen und drehte sich um. Da waren die beiden Männer schon verschwunden. Dorle war sehr nervös, als Elaine ihr die Tür öffnete. Sah sie sie anders an als sonst? Aber Elaine verhielt sich wie immer, grüßte kurz und müde „Bonjour“, drehte sich um und ging vor in die Küche, wohin Dorle ihr wie immer folgte und sich in einer kleinen Kammer umzog.
Von dem Einbruch erfuhr sie kein Wort. Im Haus herrschte eine gewisse Unruhe wegen des Empfangs und Dorle hörte aus den verschiedenen Wortfetzen heraus, dass fünf oder sechs Männer mit ihren Gattinnen kämen.
Kurz vor neunzehn Uhr machte sich Dorle fertig, um das Haus zu verlassen. Es war Freitag, der Tag, an dem ihr Madame Jarrés den Lohn gab. Von ihr erfuhr sie zum ersten Mal offiziell, dass eingebrochen worden war. Madame Jarrés fragte sie, aber sehr freundlich in ihrem dürftigen Deutsch, ob sie vielleicht vergessen habe in den letzten Tagen ein Fenster zu schließen, was Dorle verneinte. Sie schaffte es sogar, überrascht und erschrocken auf die Nachricht zu reagieren. Damit war sie entlassen und sie machte sich auf den Nachhauseweg. Zum einen erleichtert, dass man sie tatsächlich nicht verdächtigte, zum anderen sehr angespannt, weil sie fürchtete, dass Neubert ihr auflauerte und weil sie nicht wusste, was sie in ihrem Haus erwartete, nachdem Brunner dafür sorgen wollte, dass Bauer verschwand. Bauer, gestand sie sich ein, hatte einen großen Vorteil gehabt: So lange er im Haus war, hatte sich Neubert nicht in ihre Nähe gewagt. Dieser „Schutz“ wäre nun weg.
Es war noch hell und der leichte Abendwind, der die Blätter in den Bäumen singen ließ, brachte ein wenig Kühlung, die ihr gut tat, nach dem Nachmittag in der überhitzten Küche.
Sie machte einen Umweg, sah sich immer wieder um und atmete auf, als sie das Tor zur Straße hinter sich geschlossen hatte. Aber was würde sie im Haus erwarten?
Einen Moment lang blieb sie im Hof stehen und sog die Luft ein. Warum konnte es nicht immer so ruhig und friedlich sein wie in diesem Moment?
Sie atmete aus, ging rein und riss die Tür zu der Kammer neben der Küche auf. Bauers Sachen, die er wahllos in den Raum geworfen hatte, waren weg. Sie rannte die Treppen nach oben, sah dort nach, ob er sich nicht doch irgendwo versteckt hielt, und war erleichtert, dass sie alleine war. Nur der Gestank der Zigaretten erinnerte sie noch an den Mann. Schnell riss sie alle Fenster auf und ging zurück in den Hof, wo sie sich auf ihre Bank setzte.
Für einen Moment fühlte sie sich frei und leicht, vergaß Rolf und Hans- Joachim, hatte Neubert aus ihrem Gedächtnis gelöscht und auch Brunner war nicht existent. Ihr fiel Franzi ein. Franzi, die immer für sie da gewesen war, gerade in diesen schweren Wochen, und mit der sie sich wegen Bauer überworfen hatte. Wie Recht hatte Franzi gehabt! Hätte sie nur auf sie gehört. Sie musste sich bei ihr entschuldigen. Wenn Franzi ihre Entschuldigung überhaupt noch annahm. Sie schämte sich.
Koch war maßlos wütend. Drinnen, in Arnheims Büro, hatte er noch die Contenance wahren können, jetzt machte er seinem Ärger mit einem lauten Schrei im Treppenhaus Luft. Er wusste, dass er sich damit nicht beliebter machen und seinen Ruf als merkwürdiger Zeitgenosse zementieren würde. Aber das musste jetzt raus. Einige Türen wurden geöffnet, einer war sich nicht zu schade, „Der Führer ist zurück!“ zu rufen.
Er musste raus, vielleicht noch einmal mit diesem alten Nazi reden, der ihm das eingebrockt hatte. Er würde ihn so lange befragen, bis dieser sich in Widersprüche verwickeln würde. Dann wäre die Sache erledigt.
Er suchte Siggi, aber der war weder in dem Büro, das er sich mit einigen anderen Polizeianwärtern teilte, noch saß er in der Kantine oder hielt sich in der Werkstatt auf.
Koch war ungeduldig und ließ sich von Jörg gegen seine Gewohnheit einen Wagen geben. Der war sehr erstaunt. „Sie wollen selbst fahren, Herr Koch? Der Siggi kommt bestimmt gleich“, schlug er vor.
„Ich kann nicht warten“, erwiderte Koch in einem Ton, der Jörg jegliche Lust auf weitere Fragen nahm.
„Nehmen Sie den Adler, den kennen Sie ja schon. Dieter macht ihn schnell fertig. Hat auch wieder Sprit. Gestern haben wir ein paar Liter zugewiesen bekommen.“
Koch wartete vor dem großen Tor der Halle. Einige Minuten später fuhr Dieter ihm den Adler
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