Unter Trümmern
Junior auf den Hof. Er hatte noch mehr Dellen als beim letzten Mal und vom Lack waren weitere Stellen abgeblättert.
„Gute Fahrt!“, rief ihm Dieter nach, als Koch in den Wagen stieg. Er konzentrierte sich, um sich vor den Mechanikern und möglichen anderen Zeugen an den Fenstern keine Blöße zu geben. Aber das machte ihn so nervös, dass er den Wagen gleich beim Anfahren abwürgte.
„Entschuldigen Sie, Herr Koch“, kam Jörg angelaufen, „wir haben die Kupplung nachgestellt, sie kommt jetzt später.“
Der zweite Versuch verlief besser und ohne weitere Zwischenfälle erreichte Koch Gonsenheim. Nur in der Nähe der Universität musste er wegen eines Lastwagens, der Schutt aus den geräumten Häusern vor die Stadt fuhr, scharf bremsen, wobei er den Motor nochmals abwürgte.
Auf der Breiten Straße in Gonsenheim hielt ihn ein französischer Militärtransport auf. Schließlich fand er die Straße, in der Neubert wohnte. Als er sich in der Nähe von dessen Haus wähnte, stellte er den Adler ab und machte sich zu Fuß auf den Weg. Als er um die Ecke in die richtige Straße gehen wollte, hielt er erschrocken inne. An der nächsten Ecke stand ein Auto am Straßenrand, ein schwarzes französisches Fabrikat, wie er es in Brunners Garage gesehen hatte. Und im nächsten Augenblick erkannte er die beiden Personen, die neben dem Wagen standen: Es waren Brunner und Dorothea Becker. Was hatten die beiden miteinander zu besprechen? Koch überlegte, sich noch näher heranzupirschen, doch da es keine Deckung gab, verwarf er diese Überlegung.
Brunner redete auf die Frau ein. Koch konnte nur dessen Rücken sehen. Plötzlich machte Brunner eine ausladendere Geste und schlug mit der Hand auf das Dach des Autos. Sofort wurde die Fahrertür geöffnet und ein Mann stieg aus. Das Erste, das Koch erkannte, war die Glatze und ihm war augenblicklich klar, dass es Glodkowski war. Brunner und Glodkowski bei Dorothea Becker. Was machten die beiden Männer hier? War seine Befürchtung doch berechtigt, dass die Frau mit Brunner gemeinsame Sache machte und er von ihr die Informationen über die geplante Razzia erhalten hatte? Koch musste tief durchatmen und für einen Moment die Augen schließen.
Darüber hätte er fast verpasst, wie Brunner die Frau noch einmal am Arm packte und offenbar eindringlich auf sie einredete. Er beobachtete, dass sie sich schnell abwandte und wegging. Koch überlegte, den Häuserblock von der anderen Seite zu umrunden, um die Frau abzufangen und sie zu fragen, was sie mit den beiden Männern zu besprechen hatte. Aber das hatte auch Zeit bis später.
Die beiden Männer interessierten ihn im Moment mehr. Ihnen würde er mit dem Adler folgen. Doch zu seiner Überraschung stiegen weder Brunner noch Glodkowski in die schwarze Limousine, vielmehr eilten sie zu Dorothea Beckers Haus und verschwanden im Hof. Koch fand das alles immer rätselhafter. Was hatte sie mit diesen beiden Männern zu schaffen?
Eng an die Hauswand gepresst lief Koch bis vor Dorles Haus. Das schmale Tor war nicht zugezogen. Er drückte es ein kleines Stück auf und hörte im gleichen Moment Schritte im Hof. Hastig sprang er zurück und versteckte sich zwei Häuser weiter in einem Eingang.
Brunner trat zuerst auf die Straße. In den Händen hielt er eine Kiste, die er zu seinem Auto trug und in den Kofferraum stellte. Er rief etwas in Richtung des Hauses und setzte sich auf den Beifahrersitz. Kurz darauf erschien Glodkowski und führte einen Mann am Arm neben sich. Der ließ sich mehr mitschleifen, als dass er selbsttätig ging. Als dieser Mann sich umwandte, erkannte Koch, dass es Bauer war, allerdings schien der Bekanntschaft mit Glodkowskis Fäusten gemacht zu haben, denn sein Gesicht war geschwollen und seine Lippe blutete. Glodkowski riss eine der hinteren Türen auf und stieß Bauer in den Fond. Darauf setzte er sich eilig hinters Steuer, startete den Motor, wendete und fuhr davon.
Koch sprang aus seiner Deckung und lief zu dem Adler. Er musste wissen, wohin die Männer fuhren. Was hatten sie mit Bauer vor?
Schon nach wenigen Metern meldete sich wieder sein linkes Bein. Er fluchte. In den entscheidenden Momenten behinderte ihn diese verdammte Verwundung. Als er sein Auto endlich erreicht hatte, war von dem CV 11 nichts mehr zu sehen. Koch startete die Maschine, ermahnte sich zur Ruhe, legte den Gang ein und ließ den Motor langsam kommen.
Er verließ sich auf seinen Instinkt. Brunner war keiner, der sich die eigenen Finger schmutzig
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