Unter Trümmern
seiner Ecke am Tisch sitzen, senkten ihre Stimmen und nahmen auf der anderen Seite des Raumes Platz.
Er versuchte noch einmal das Diagramm in seinem Kopf zu zeichnen, aber es wollte ihm nicht gelingen, zumal seine Gedanken immer an einer Verbindung hängen blieben: Was hatte Dorle Becker mit Brunner und Glodkowski zu tun?
Nach einer Stunde kam Siggi wieder, in der Hand ein Stück Papier, das Koch nur als mickrig bezeichnen konnte.
„Was ist das denn, Siggi?“, tadelte er den Jungen. „Das hätte ich auch selbst noch gehabt.“
„Es gibt kein Papier, Herr Koch“, verteidigte sich Siggi, „alles rationiert.“
„Guten Morgen“, klang es recht gut gelaunt hinter ihnen. „Gibt es Probleme?“
Reuber war, ohne dass sie es bemerkt hatten, an den Tisch getreten.
„Ich sollte ein großes Blatt Papier besorgen …“, erklärte Siggi.
„… und gebracht hat er mir das“, ergänzte Koch und zeigte auf das Blatt, das Siggi in der Hand hielt.
„Groß ist wahrlich etwas anderes“, bestätigte Reuber. „Aber Improvisation ist doch das Wort der Stunde“, sagte er. „Sie haben eine große Wand, Koch, das ist eine hervorragende Tafel. Ich gebe Ihnen auch ein Stück Kohle zum Schreiben.“
„Gute Idee, Reuber, so machen wir das. Kommen Sie mit?“
„Sofort.“ Er klatschte so laut in die Hände, dass die Kollegen an dem anderen Tisch zu ihnen herübersahen und den Kopf schüttelten. „Ich besorge die Kohle, Sie den Kaffee.“ Damit drehte er sich um und verschwand aus der Kantine.
In seinem Büro erkannte Koch, dass Reuber völlig Recht hatte. Die zerschlissenen, teilweise aufgerissenen Wände, an denen an vielen Stellen der Putz schon bröckelte, boten die ideale Fläche für sein Diagramm.
„Dann mal los!“, sagte er, als Reuber erschienen war. „Wir haben vier Tote. Den Wachmann, Franz Hartmann, Peter Gerber und Werner Eckes.“
„Fünf“, ergänzte Siggi. „Sie haben Rolf Becker vergessen.“
Koch überlegte kurz. „Na gut. Schreiben wir ihn dazu. Also haben wir: Helmut Brunner, Bauunternehmer, und Klaus Glodkowski, ich nenne ihn mal seine rechte Hand; der tote Hartmann, bei Brunner angestellt; dann Fred Hafner, ebenfalls bei Brunner angestellt, mit Handverletzung, möglicherweise vom Überfall in Bodenheim; und der Mann mit dem Kopfverband, der aus der Halle in Mombach geflüchtet und wahrscheinlich in meine Wohnung eingebrochen ist.“
Mit der Nennung der Personen schrieb Koch deren Namen mit Kohle an die Wand und zog Linien zu anderen, wischte, wenn das nicht aufging, die Kohle weg, und schrieb neu. Bald schon war die Wand ein großes Gemälde aus Worten, Strichen und verwischten Flecken.
„Der Mordanschlag auf Hartmann wurde mit einem Wagen ausgeführt, wie Brunner ihn besitzt, der aber angeblich nicht mehr fuhr, weil wichtige Teile fehlten. Genau die haben wir aber bei Gerber gefunden. In welcher Verbindung stehen die? Und bei Gerber haben wir auch genau solche Flaschen gefunden, wie die, mit der Siggi wahrscheinlich abgefüllt und niedergeschlagen wurde.“
Koch machte eine Pause, trat drei Schritte zurück, um sich das Bild anzuschauen.
Er schüttelte seinen Kopf.
„Und gestern Abend habe ich Brunner und Glodkowski vor dem Haus von Dorle Becker gesehen.“ Er fasste seinen beiden erstaunten Kollegen die neue Situation zusammen.
„Und damit käme der tote Sohn der Becker ins Spiel?“, meinte Reuber.
Koch schüttelte seinen Kopf. „Glaube ich nicht. Das ist eine private Geschichte von diesem Neubert. Der hat sich von der Frau einen Korb abgeholt und will sich nun rächen. Einer, der unter den Nazis was zu sagen hatte, und jetzt wieder die arme Haut ist, die er vorher war. Auch wenn er noch gute Kontakte hat. Aber was haben Brunner und Glodkowski mit der Frau zu tun?“
Koch nahm seinen Kaffeebecher, trank einen Schluck und verzog den Mund. „Kalt!“
„Ach, das hätte ich fast vergessen. Dorle Becker arbeitet bei Capitaine Jarrés, ein nicht ganz unwichtiger Mensch. Zufall?“
Reuber pfiff durch die Zähne.
„Und“, warf Siggi ein, „Peter Gerber und Rolf Becker waren früher mal gut befreundet.“
„Stimmt.“
Reuber steckte sich eine Zigarette an und inhalierte.
„Kollege Chavez von den amerikanischen Freunden war wieder zu Besuch?“, fragte Koch, nachdem er den Tabakqualm gerochen hatte.
„In dieser Zeit sind Beziehungen alles, Koch. Die und all die kleinen Geschäftchen halten die Wirtschaft, wenn wir das so nennen können, am Laufen. Das verhindert,
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