Unter Trümmern
mein Fall“, sagte er schließlich, „unser Fall. Wir sind trotz aller Einwände drangeblieben. Wir werden das machen!“, bestimmte er.
„Ich bin gerne dabei, Koch“, sagte Reuber, „dafür bin ich auch lange genug hinter Brunner her gewesen. Aber was gedenken Sie zu tun? Wir sind drei Männer.“ Er sah kurz zu Siggi herüber, dem der Stolz ins Gesicht geschrieben stand. „Wir wissen nicht, mit wie vielen Leuten Brunner den Transport angreift. Dazu kommt, dass die Franzosen am Ende denken, dass wir zu ihm gehören. Zumindest werden sie uns nicht unterscheiden können. Wenn wir also Pech haben, kämpfen wir an zwei Fronten.“
„Das Risiko müssen wir eingehen. Wir haben auch gar keine Zeit für irgendwelche langen Vorbereitungen. Wenn die Angaben von Dorothea Becker stimmen, findet der Überfall in gut drei Stunden statt. Und den gilt es zu verhindern.“
„Dann fehlen uns aber möglicherweise die Beweise“, wandte Reuber ein.
„Ihr Nachbar“, rief Siggi dazwischen, „der ist doch Photograph, oder? Der könnte doch …“
„Ja was, Siggi?“, hakte Reuber nach, als der Junge den Satz nicht vervollständigte.
„War nur so eine Idee.“
„Und keine schlechte“, sagte Koch. „Bresson ist mir sowieso noch was schuldig.“
„Koch, noch einmal: Wollen Sie die Sache wirklich alleine durchziehen?“
„Alleine?“, erwiderte Koch mit gespieltem Erstaunen. „Ich habe doch Sie und Siggi.“
„Keine Angst, dass Sie sich übernehmen? Und aus Rache oder anderen Gefühlen heraus ein zu hohes Risiko eingehen?“
Koch wurde lauter. „Wir haben keine Zeit. Bis wir Arnheim oder Falter oder die Franzosen überzeugt haben, ist das Ding gelaufen und Brunner, Glodkowski und Konsorten sind über alle Berge.“ Er lachte laut auf. „Arnheim würde mich doch gleich für völlig wahnsinnig erklären, wenn ich damit zu ihm käme. Auch an dieser Front keine Unterstützung.“
„Immerhin könnte er sich die Federn anstecken, wenn’s gut ausgeht.“
„Nein, da ist zu viel Porzellan zerdeppert worden. Und selbst wenn er sich doch überzeugen ließe, dazu bräuchten wir Stunden, wenn nicht Tage. Die Zeit haben wir nicht. Und zudem ist es im Moment wirklich so, dass ich nur Ihnen beiden vertraue. Wer sagt denn, dass mich einer der anderen Kollegen, die mich immer noch wegen meiner Vergangenheit schief anschauen, nicht hintergeht? Oder selbst Geschäfte mit Brunner macht, in seiner Schuld steht, was weiß ich. Man hört doch immer wieder von Polizisten, die selber aus Hunger Diebstähle und Einbrüche begehen. Nein, ich will niemanden dabei haben, den ich nicht kenne und dem ich nicht vertrauen kann.“
„Spanientrauma?“, fragte Reuber zurück.
„Vielleicht. Aber ich bin mit meinem Misstrauen immer gut gefahren.“
„Okay“, willigte Reuber schließlich ein. „Sie haben mich zwar nicht überzeugt, aber überredet. Lassen Sie uns schnell entscheiden, was wir machen wollen. Gibt es einen Anhaltspunkt, wo der Überfall stattfinden wird?“
„Als Glodkowski den Zettel gesehen hat, hat er wohl Stadecken genannt. Das ist nicht zu Hundertprozent sicher, aber es würde Sinn machen. Der Transport würde den Weg durch die teilweise noch zerstörten Uferorte am Rhein umgehen und dass Brunner sich über diese Strecke freut, kann ich mir vorstellen. Hinter Stadecken geht die Straße sehr steil bergauf. Da kann der LKW allenfalls im Schritttempo fahren, ideal für einen Überfall.“
„Und wenn Sie falsch liegen mit Ihrer Vermutung?“
„Haben Sie einen besseren Vorschlag?“, gab Koch zurück. „Wir haben keine andere Wahl.“
„Gut“, entschied Reuber, „also Stadecken.“
„Ja“, stimmte Koch zu, „wir fahren über Essenheim dorthin, dann kommen wir von oben. Das Problem wird sein, dass Brunners Leute möglicherweise schon dort sind und auf der Lauer liegen werden. Bewaffnet.“
„Wie viele Männer hat er?“, fragte Siggi, der nicht mehr ganz so unternehmungslustig klang.
„Er selbst, Glodkowski, dieser Hafner und noch zwei oder drei andere, nehme ich an.“
„Wir sind nur drei.“
„Vier“, korrigierte Siggi.
„Kann ihr Nachbar mit einer Waffe umgehen?“, fragte Reuber.
„Dem traue ich alles zu. Wer mit der Kamera schießen kann …“
„Also gut, zwei andere Probleme“, gab Reuber zu bedenken. „Fahrzeuge und Bewaffnung. Ich habe meine Dienstwaffe. Eine der wenigen.“
„Ich auch“, sagte Koch.
Siggi zuckte mit der Schulter.
„Ich habe noch eine Pistole. Ist eher privat.
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