Unter Trümmern
Können Sie denn mit so was umgehen?“, fragte Reuber.
„Klar“, antwortete Siggi.
„Und die Fahrzeuge?“
„Einen Wagen zu bekommen, ist kein Problem.“
„Zwei wären besser.“
„Ich nehme wieder das Motorrad. Damit bin ich beweglicher, kann auch ins Feld fahren“, sagte Reuber.
„So machen wir es“, entschied Koch.
Zwanzig Minuten und eine Diskussion mit Jörg später, der ihnen den einzigen im Moment funktionstüchtigen Wagen zuerst nicht geben wollte, weil der Anlasser nicht immer funktionierte, waren sie auf dem Weg in die Zahlbach. Der Himmel begann sich zuzuziehen, es wurde drückend schwül.
„Das gibt bestimmt ein Gewitter“, vermutete Siggi.
Bresson war verwundert, dass Koch gegen Mittag bei ihm klopfte.
„Was soll ich?“, fragte er kopfschüttelnd, als Koch ihm seinen Plan dargelegt hatte.
„Bilder schießen. Beweise. Kommen Sie, Bresson.“
Der überlegte noch kurz, stimmte zu und bat um einen Moment, um seine Sachen zusammenzupacken.
Fünf Minuten später kam er mit einer Lederjacke und einer Kappe bekleidet sowie einer großen Tasche und einem Stativ in den Hausflur.
„Los geht’s“, sagte er. „Sieht nach Regen aus.“
„Was haben Sie denn alles dabei?“
„Was man so für den täglichen Überlebenskampf braucht.“
Während sie die Treppen hinabstiegen, sah Koch auf seine Uhr. Fast zwölf. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Und der Himmel wurde immer dunkler.
Dorle wurde am Morgen durch einen Sonnenstrahl geweckt, der eine Lücke zwischen zwei Vorhängen gefunden hatte und genau ihr Gesicht traf. Sie sah sich um und war einen Moment verwirrt, dass es um sie herum so fremd aussah. Die Wand war in einem leichten Blauton gestrichen, davor standen ein Holzschrank und ein schmaler Stuhl. Langsam dämmerte ihr, dass sie sich im Bett und Zimmer von Karl, dem ältesten Sohn von Franzi, befand. Dass sie gestern lange mit ihrer Freundin zusammen gesessen hatte und dass es fast so wie früher gewesen war, vor ihrem Streit, als sie Franzi alles beichten konnte.
Franzi hatte ihr gesagt, dass sie sich etwas einfallen lassen würde.
Sie stand auf, wusch sich schnell und zog ihr Kleid an. Die Stelle, auf die gestern Abend der Kaffee getropft war, hatte sich dunkel verfärbt.
Sie wollte wissen, was Franzi vorhatte, aber sie stellte bald fest, dass sie allein im Haus war. Vielleicht war Franzi Besorgungen machen. Sie war unsicher, was sie tun sollte. Warten, bis Franzi wiederkam? Ihr Blick blieb wieder an dem Fleck auf ihrem Kleid hängen. Franzi hatte zwar gesagt, dass sie die nächsten Tage, bis die Sache mit dem Überfall ausgestanden war, bei ihr bleiben könnte, weil sie hier in Sicherheit war, aber sie konnte nicht tagelang in einem dreckigen Kleid herumlaufen. Sie beschloss, schnell zu ihrem Haus zu gehen, frische Wäsche einzupacken und dazu das letzte Stück der Salami, das sie noch besaß, mitzunehmen. Sie sah auf die alte Uhr in dem Holzkasten, die im Flur stand. Gleich war es zehn Uhr.
Schon wenige Minuten später verließ sie das Haus und eilte nach Hause. Wolken begannen sich vor die Sonne zu schieben. Den dunklen Wagen, der unweit des kleinen Tores stand, nahm sie nicht wahr. Gerade, als sie den Schlüssel ins Schloss stecken wollte, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
„Dorle Becker?“ Es war eine fast jungenhafte Stimme.
Sie drehte sich um und sah in das Gesicht eines blonden Mannes, der nicht viel älter als ihr Rolf sein konnte.
„Sind Sie Dorle Becker?“, wiederholte er seine Frage.
„Ja. Was wollen Sie?“
„Mitkommen!“, befahl er.
Dorle machte eine Bewegung auf ihr Tor zu. Der junge Mann packte sie am Arm und zog sie mit sich zu dem Auto und stieß sie hinein. Sie war zu überrascht, um zu schreien. Er folgte ihr auf den Rücksitz und band ihr die Hände hinter dem Rücken zusammen, steckte ihr einen Knebel in den Mund und stieß sie auf den Boden hinter den Vordersitzen.
Der junge Mann setzte sich hinter das Steuer, startete den Motor und fuhr los. Jedes Schlagloch, jeder Stein, über den der Wagen rollte, schlug bis zu ihr durch. Dorle kämpfte sich langsam nach oben. Das war dreifach anstrengend, weil sie ihre Hände nicht benutzen konnte, weil ihr das Atmen schwer fiel und weil das Holpern des Wagens sie hin und her warf. Endlich hatte sie sich so aufgerichtet, dass sie einen Blick über den Sitz nach draußen werfen konnte. Sie fuhren in Richtung Mombach, erkannte sie, und im gleichen Augenblick traf sie der Schlag einer flachen
Weitere Kostenlose Bücher