Unter Trümmern
Hand. Sie sank wieder hinter den Sitz zurück und unternahm keinen weiteren Versuch hochzukommen.
Schließlich blieb der Wagen stehen, der Fahrer stieg aus, um nur wenig später wieder einzusteigen und langsam weiterzufahren. Kurz darauf hielt er erneut und stellte den Motor ab. Dorle lag im Fußraum vor der Rückbank des Autos. Ihre Knochen schmerzten und die Stelle, wo sie der Schlag getroffen hatte, brannte. In der Ferne hörte sie Glocken und das tiefe Brummen eines LKW-Motors, das aber bald schon verschwand.
Dorle biss die Zähne zusammen, versuchte die Schmerzen zu ignorieren und sich wieder nach oben zu kämpfen. Gerade, als sie es geschafft hatte, sich auf die Knie zu hocken, wurde die Tür hinter ihr aufgerissen und sie an den Haaren gepackt und aus dem Auto gezerrt.
„Raus mit dir!“
Eine Hand packte ihren rechten Arm und bog ihn so weit nach hinten, dass sie unter dem Knebel aufschrie. Sie glaubte zu ersticken. Eine andere Hand umfasste ihren Kopf und hielt ihr die Augen zu. Dabei wurde sie nach vorne gestoßen.
„Schneller, verdammt!“, zischte der Mann ihr ins Ohr und stieß sie weiter. Sie stolperte über einer Schwelle.
„Pass auf, du blöde Kuh!“, blaffte der Mann sie an. Dorle verstand kaum, was der Mann sagte, dafür war ihre Angst viel zu groß und die Schmerzen übermächtig. Panik stieg in ihr auf.
„Weiter!“ Sie waren jetzt in einem großen Raum.
Er drückte ihren Kopf nach unten.
„Stufen!“
Sie trat ins Leere, erschrak, er hielt sie an dem zurückgebogenen Arm fest. Der Schmerz fuhr ihr bis in den Kopf. Als sie wieder ebenen Boden unter ihren Füßen hatte, lockerte der Mann den Griff und stieß sie nicht mehr ganz so brutal vor sich her.
„Stehen bleiben!“, befahl er und riss ihr den Knebel aus dem Mund.
Dorle wollte etwas sagen, aber bevor sie ihre Atmung so weit beruhigt hatte, ließ sie ein fester Stoß in den Rücken nach vorne schießen und auf den Boden fallen. Gleich darauf fiel eine schwere Tür ins Schloss.
Es war dunkel um Dorle und erst nach einigen Augenblicken erkannte sie unterhalb der Decke einen schwachen Lichtstreifen. Man hatte sie eingesperrt.
Sie ließ sich auf den Boden sinken. Es gab keine Stelle an ihrem Körper, die nicht schmerzte. Bei dem Sturz hatte sie sich ihren Knöchel verstaucht. Sie begann zu weinen.
Sie kamen nur langsam voran. In Bretzenheim blockierte ein Lastwagen die Straße und es dauerte mehr als zehn Minuten, bis sie endlich die Stelle passieren konnten.
An dem Opel P4, den Jörg ihnen gegeben hatte, schien nicht nur der Anlasser nicht in Ordnung zu sein.
Siggi fluchte immer wieder.
„Mit dem Vergaser stimmt was nicht. Falsches Gemisch“, zischte er zu Koch hinüber, der auf dem Beifahrersitz saß. Bresson hatte sich auf die Rückbank gequetscht, seine Tasche und sein Stativ neben sich.
Reuber folgte ihnen mit dem Motorrad.
Bei jeder Steigung verlor der Opel rapide an Geschwindigkeit.
„Schneller!“, trieb Koch Siggi an. „Wir haben keine Zeit.“ Er starrte nach vorne aus dem Fenster.
„Geht nicht“, gab der zurück.
Den Anstieg auf den Lerchenberg schaffte der Wagen nicht mehr.
Siggi fuhr an den Straßenrand und öffnete die Motorhaube.
„Wir verlieren zu viel Zeit“, protestierte Koch, aber der Junge reagierte nicht darauf. Er beugte sich über den Motor, lief nach hinten ans Heck des Wagens, anschließend wieder nach vorne und hing erneut über dem Motor. Der heulte jetzt mal kurz auf, stotterte so, dass Koch und Bresson glaubten, dass er gleich ganz den Geist aufgeben würde.
Reuber hatte sein Motorrad ebenfalls abgestellt und sich zu Siggi gesellt.
Das Spiel des Aufheulens und Fast-Absterbens des Motors wiederholte sich mehrmals, bis Siggi die Haube zuschlug und wieder einstieg.
„Die Einstellschraube für den Lufteinlass war verbogen. Ich hoffe, dass die jetzt hält.“
Koch sah auf seine Uhr. Es war viertel vor eins.
Der Motor lief jetzt einigermaßen rund und sie mussten nicht mehr befürchten, dass er jeden Moment seinen Geist aushauchen würde, dennoch kamen sie für Kochs Geschmack viel zu langsam voran.
„Geht’s nicht schneller?“, blaffte er in Richtung Siggi.
„Ich hole schon alles aus der Kiste raus. Aber schauen Sie sich doch die Straße an. Überall Schlaglöcher. Wenn uns jetzt ein Reifen platzt, gute Nacht. Wir haben keinen Ersatz. Und die an unserem Auto sind schon oft geflickt worden. Schläuche sind Mangelware. Auch bei der Polizei.“
Die ersten Regentropfen fielen
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