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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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Blick. Sein letzter Blick, mit dem er sie angeschaut hatte, bevor er auf den Boden sank. Du sollst nicht töten! Aber sie hatte die Medikamente. Sie wirkten. Es war so still im Haus. Bis auf den Wind. Rolf hatte die Medikamente genommen. Deshalb schrie er nicht mehr vor Schmerzen. Deshalb war es so ruhig.
    So unnatürlich still.
    Dorle versuchte ihren Körper zu strecken. In der Stille des Kellers klang das Knacken ihrer Gelenke unnatürlich laut. Sie begann bei ihren Fingern, streckte erst den rechten, dann den linken Arm aus. Jede Bewegung schmerzte. Aber sie wusste, dass sie hier nicht liegen bleiben durfte. Langsam kam das Gefühl in ihre Arme zurück. Sie atmete durch. Die kalte Luft schmerzte in ihrer Lunge. Sie drückte ihre Beine durch. Das bereitete ihr die größten Schmerzen. Sie hielt inne, biss die Zähne zusammen.
    Kein Wunder, dass sie solche Sachen träumte. Rolf tot. Wie kam sie nur auf so etwas? Sie hatte vom Brunner doch die Medikamente und die Schmerzmittel, und sie würde mehr davon bekommen, sie würde bei dem Franzosen arbeiten, sie würde tun, was Brunner ihr auftrug. Rolf würde keinen Mangel mehr leiden müssen. Es würde ab jetzt für ihn genug zu essen geben und viele, viele Medikamente. Ausreichend Schmerzmittel. Keine Schreie mehr in der Nacht. Kein Richard Neubert, der sich nichts mehr als das alte Regime herbeisehnte, der noch immer vom Krieg faselte, der sich aber ständig über Rolfs Schreie beschwerte, wo doch Rolf im Krieg sein Bein gelassen hatte, während der Neubert zu Hause gesessen hatte. Neubert, der sie so lüstern ansah. Brunner hatte Beziehungen. Er kannte Ärzte, Chirurgen. Rolf würde operiert werden. Er bekäme eine Prothese. Alles würde gut.
    Mit neuer Kraft drückte Dorle ihre Beine endgültig durch. Danach gönnte sie sich eine kurze Pause. Sie ermahnte sich nicht liegen zu bleiben. Mit jeder weiteren Sekunde, die sie bewegungslos auf dem Steinboden lag, würde die Kälte weiter Besitz von ihr ergreifen. Sie musste aufstehen. Sie musste nach Rolf schauen. Nachsehen, ob er schlief, ob er auch die Medikamente genommen hatte. Sich kümmern, wie sie das seit seiner Rückkehr aus dem Lazarett in jeder Sekunde des Tages tat.
    Sie winkelte ihre Arme an, drückte sich mit den Handflächen vom Boden ab und sah dabei nach oben. Sofort schloss sie ihre Augen, wie in einem Reflex. Es war doch ein Traum gewesen. Ein schrecklicher Traum. Ein kalter Traum. Aber eben ein Traum. Nicht echt. Nicht wirklich. Träume sind nicht echt. Aber sie hatte ein Bein gesehen. Ein Bein, das über ihr baumelte. Die zerschlissene Sohle des Hausschuhs, direkt über ihr. Dorle schwindelte. Sie wagte nicht, ihre Augen zu öffnen. War der Traum doch noch nicht zu Ende? Schlief sie noch immer? In ihrem Bett? Träumte, dass sie träumte? So was Verrücktes! War auch die Kälte nur Einbildung? Aber vor ihr war die Kellerwand, die sie während der Bombenangriffe angestarrt hatte, wenn sie alleine oder später mit Rolf hierher vor den Bomben geflüchtet war. Die Wand war echt und die Sohle und das Bein keine Einbildung. Sie konnte sie klar und deutlich erkennen. Wie auch die Schmerzen in ihren Gliedern keine Einbildung waren.
    Durch die geöffnete Tür blies der Wind kalte Luft nach unten.
    Sie wartete noch einen Augenblick, dann erhob sie sich, den Blick starr nach unten, auf den Boden gerichtet.
    Nun stand sie aufrecht. Sie wagte es nicht den Blick zu heben, aber sie wusste, dass das wirklich war, keine Einbildung. Langsam, ganz langsam hob sie ihren Kopf, bis sie ihn sah, den Fuß, der über ihr baumelte. Starr und bewegungslos hing er von der Decke. Selbst der Windzug konnte ihm nichts mehr anhaben.
    Dorle folgte mit ihrem Blick dem Bein, dem Bauch bis zu dem Kopf, der verrenkt in der Schlinge hing.
    Sie schrie auf und sackte zusammen, hockte einige Sekunden auf ihren Knien, erhob sich wieder und besah sich den hängenden Körper noch einmal.
    „Warum hast du das gemacht, Rolf? Warum nur?“, schrie sie dem Leichnam entgegen. „Warum? Warum? Warum? Alles wäre gut gegangen. Ich hatte doch die Medikamente. Ich habe eine Arbeit. Und du …?“ Ihre Kräfte versagten. Apathisch stieg sie die steilen Stufen nach oben, verließ den Keller und überquerte den kleinen Hof, schloss das Tor zur Straße, das noch immer offen stand. Sie ging ins Haus, ließ die Tür ins Schloss fallen, sank in der Küche auf einen Stuhl und starrte auf die Wand vor ihr.
    Rolf! Warum lässt du mich allein?
    Als Dorle aus ihrer

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