Unter Trümmern
Schädelfraktur, stand in dem Bericht des Arztes, den er sich besorgt hatte, bevor er in die Autohalle gegangen war.
Koch fluchte. Es gab keinen einzigen Hinweis. Und er spürte ganz genau, dass diese Sache oberfaul war. Er ging die Straße mehrmals auf und ab, von Siggi mit neugierigen Blicken verfolgt, bis er vor einem der Büsche, die den Grünstreifen zur Straße hin begrenzten, stehen blieb.
Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch. Er drehte sich um und sah zwischen den dürren Zweigen eine Mütze verschwinden. Er brauchte einen kleinen Moment, dann sprang er in den Busch, riss die Zweige auseinander und sah in etwa zwanzig Meter Entfernung einen Mann laufen, setzte zu einem Sprint an und musste ihn gleich abbrechen, weil ihn ein stechender Schmerz in seinem linken Oberschenkel lähmte. Bis er sich aus seiner Starre gelöst hatte, war der Flüchtige schon zu weit weg. In dem Moment nahm er eine Bewegung neben sich wahr, ein blonder Schopf hastete an ihm vorbei. Siggi hatte die Verfolgung aufgenommen, Koch humpelte hinterher, bis er einen Schrei hörte, dann eine Stimme. „Ich habe nichts getan. Lassen Sie mich los! Sie tun mir weh.“
Koch humpelte in Richtung der Stimme, bis er Siggi erreicht hatte, der auf dem Rücken des geflohenen Mannes saß und dessen Hände festhielt.
„Gut gemacht, Siggi“, lobte er seinen Mitarbeiter. „Stellen Sie den Mann mal auf die Beine!“
Der kam der Aufforderung mit so viel Begeisterung nach, dass der Gefangene aufschrie.
Der Mann trug einen alten, völlig zerschlissenen Militärmantel. Auch die restliche Kleidung war an vielen Stellen zerrissen, voller Löcher und nur notdürftig geflickt.
Der Mann sah den Polizisten verächtlich an. „Was wollen Sie von mir? Darf man nicht mal in Ruhe kacken?“
Koch reagierte nicht darauf, sah den Mann nur unentwegt an.
„Sagen Sie dem Idioten, dass er mich loslassen soll!“
Die Antwort war ein fester Ruck von Siggi, der den Fremden erneut aufschreien ließ.
„Verdammt, mein Arm“, schrie er aus Leibeskräften, und versuchte sich aus Siggis Griff zu befreien.
Koch horchte auf.
„Was ist mit Ihrem Arm?“
„Was wohl? Der Idiot hat mir fast den Arm ausgerenkt.“
„Lassen Sie mal sehen!“, sagte Koch. Siggi sah ihn überrascht an.
„Ist schon gut. Halb so wild“, wiegelte der Mann ab.
„Linker Arm! Los! Her damit!“
„Ist schon in Ordnung“, sagte der Mann. In seiner Stimme lag eine Spur Panik.
Siggi wusste nicht, was er tun sollte. Plötzlich trat Koch vor, nahm den linken Arm, riss ihn aus dem Ärmel des Mantels, ließ sich nicht von dem erneuten Schmerzensschrei ablenken und rollte den Ärmel des Pullovers nach oben, packte das Handgelenk und drehte die Innenseite des Arms zu sich.
Oberhalb des Ellenbogens trug der Mann einen verschmierten Verband.
„Was ist das?“, herrschte Koch ihn an.
„Was wohl? Eine Verletzung“, blaffte der Mann zurück. Seine Augen flackerten.
„Woher?“
„Woher? Woher? Eben eine Verletzung. Schussverletzung. Es war Krieg, Mann. Haben Sie wohl nicht mitbekommen. Bei Mami im Bett gelegen, oder was?“
So schnell, dass Siggi es nicht mitbekam, schlug Koch dem Mann mit der flachen Hand ins Gesicht, griff nach dem Verband und schob ihn nach unten.
Eine eiternde, etwa fünf Zentimeter große Wunde kam zum Vorschein.
„Schusswunde, ja?“, herrschte Koch den Mann an. „Schusswunde, ja?“, wiederholte der Kommissar noch einmal und er erschien Siggi wie von Sinnen. „Feindeinwirkung oder selbst beigebracht? Sieht noch ziemlich frisch aus.“
Mit zornigen Blicken sah der Mann Koch an, versuchte sich aus dessen Griff zu lösen, aber der Kommissar hielt ihn eisern umklammert.
„Feindeinwirkung. Natürlich Feindeinwirkung. Was denn sonst?“
„Das wissen Sie doch selbst besser. Welche Blutgruppe haben Sie denn?“
„Davon verstehen Sie nichts. Wenn wir …“ Der Mann hielt inne.
„Ja, weiter! Bringen Sie Ihren Satz zu Ende!“
Trotziges Schweigen war die Antwort.
Koch wandte sich ab. Ihn ekelte der Mann, das war ihm deutlich anzusehen. Siggi verstand zwar nicht warum und was hier gerade passierte, aber er spürte, dass er im Moment auch nicht fragen durfte.
„Machen Sie weiter, Siggi. Fragen Sie ihn, ob er was gesehen hat!“
Damit ging er ein Stück zur Seite und vermied es, den Mann ansehen zu müssen.
„Ja, habe ich gehört“, antwortete dieser auf Siggis Frage nach dem Unfall.
„Und haben Sie auch was gesehen?“
„Wenn Sie mich gehen
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