Unter Trümmern
bald einen Sohn, Émile.
Eines hatte Koch Reuber jedoch verschwiegen, weil er glaubte, dass dies kein Deutscher verstehen würde. Er hatte die Résistance unterstützt und war, nachdem die deutschen Truppen auch den Süden Frankreichs besetzt hatten, mit Raymond und seinen neuen Freunden in den Untergrund gegangen, um aktiv gegen die Besatzer zu kämpfen. Bei einer ihrer Aktionen war Koch als Fahrer eingeteilt gewesen. Auf der Flucht vor den Deutschen hatte er einen schweren Fahrfehler begangen, der einem ihrer Kameraden das Leben gekostet und einem weiteren schwere Verletzungen zugefügt hatte. Das Bild des toten Mannes hatte er seitdem stets vor Augen, wenn er am Steuer eines Wagens saß.
Jetzt, während er noch im Bett lag und nicht in die Kälte hinaus wollte, überlegte er, ob es ein Fehler gewesen war, dem Mann überhaupt etwas aus seinem Leben erzählt zu haben.
In der Polizeidirektion ging Koch als Erstes zu Reubers Büro. Die Tür war verschlossen. In seinem eigenen Büro ließ er sich auf den Stuhl fallen, streckte sich und schloss seine Augen.
Ein lautes Klopfen schreckte ihn auf.
Auf sein „Herein!“ passierte erst gar nichts, dann hörte er einen unterdrückten Schmerzensschrei. Langsam wurde die Tür aufgedrückt und Siggi erschien im Rahmen, in jeder Hand eine dampfende Tasse.
„Ist über meine Hand geschwappt“, erklärte er, als er vor Kochs Schreibtisch stand und die Tassen abstellte.
„Für Sie!“ Damit schob er eine Tasse, deren Inhalt zum Teil im Unterteller schwamm, zu seinem Chef herüber.
„Guter Riecher, Siggi,“, sagte er. „Danke, kann ich gut gebrauchen.“
Dem jungen Mann war die Erleichterung anzusehen, dass sein Vorgesetzter offenbar nicht mehr sauer auf ihn war.
„Harte Nacht?“, fragte Siggi.
„Kann man wohl sagen.“
Koch streifte die Tasse an dem Unterteller ab und trank einen Schluck.
„Sagen Sie, Siggi, der Brunner besitzt keinen 170er?“
„Nein. Das heißt, offiziell nicht. Ist keiner gemeldet.“
„Das dachte ich mir. Ich würde sagen, dass wir dem Mann heute noch einmal einen Besuch abstatten.“
„Sie glauben, dass er einen besitzt? Und dass er …?“
„Mal schauen. Zuerst einmal will ich wissen, was so ein Mann für Autos besitzt.“
„Und Sie meinen, er zeigt uns die?“
„Da muss ich mir etwas einfallen lassen.“
Eine Stunde und eine weitere Tasse Kaffeeersatz später waren die beiden Polizisten auf dem Weg nach Gonsenheim in die Jahnstraße.
Gerade als sie aus dem Wagen gestiegen waren, kam ihnen Brunner am Eingang entgegen.
„Was führt Sie zu mir, Herr Kommissar?“, empfing er die beiden Polizisten. Er schien guter Laune zu sein.
„Nun, das mit dem Auto bei meinem letzten Besuch, das hat mir keine Ruhe gelassen. Sie wissen noch, dass Sie den Adler ziemlich runtergemacht haben.“
Ein Lächeln huschte über Brunners Gesicht. „Ich hatte Sie anders eingeschätzt. Dass Ihnen das nicht wichtig ist. Offenbar habe ich mich getäuscht. Jetzt haben Sie ja einen wesentlich schickeren Wagen, dazu in exzellentem Zustand und einen Fahrer noch dazu.“
Er sah kurz zu Siggi herüber. Sie waren wieder mit dem 315er BMW gekommen. Siggi hatte eine Viertelstunde auf Jörg in der Autohalle einreden müssen, bis der ihn endlich herausrückte. Brunner umrundete das Auto.
„So einen hatte ich auch mal, ’33 oder ’34 war das, glaube ich …“
„Das muss ’34 gewesen sein, ’33 wurde der noch nicht gebaut“, fiel ihm Siggi ins Wort.
Erstaunt sah ihn Brunner an. „Na, der Junge hat Ahnung. Aber als Fahrer … haben Sie da denn schon gelebt …?“, erwiderte er spöttisch.
Koch gab Siggi ein Zeichen, nicht darauf zu reagieren.
„Mich, und natürlich auch meinen autobegeisterten jungen Kollegen, besonders den, würde brennend interessieren, welche Autos Sie fahren.“
Brunner lachte. „Das wollen Sie wirklich wissen? Steckt dahinter nicht was anderes? Als Polizist fährt man doch nicht einfach so raus nach Gonsenheim, um sich den Fuhrpark eines unbescholtenen Bürgers anzusehen.“
„Es ist, wie es ist. Und, wie gesagt, besonders meinen Kollegen interessiert das. Wussten Sie, dass Nuvolari sein größtes Idol ist?“
„Tazio Nuvolari? Keine schlechte Wahl. Obwohl auch die Deutschen einige klasse Rennfahrer haben. Rosemeyer ist ja leider viel zu früh gestorben. Aber der Hans Stuck ist auch nicht schlecht. Aber die dürfen ja im Moment nicht fahren.“
„Und nicht zu vergessen der Karratsch“, warf Siggi begeistert
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