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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Secombe
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— äh — mit Ihnen bete?“
    Die Wirkung auf Mrs. Waters war verheerend. Sie wurde kalkweiß vor Angst.
    „Hat die Schwester Ihnen etwas gesagt, das ich noch nicht weiß?“ erkundigte sie sich und sah mir ins Gesicht.
    „Nein! Nein!“ sagte ich rasch. „Es ist nur, daß ich — äh — dachte, Sie möchten vielleicht, daß ich ein Gebet spreche.“
    „Danke vielmals“, erwiderte sie und atmete erleichtert auf. „Ich kann meine Gebete selbst sprechen. Ich brauche niemanden, der sie für mich spricht.“
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, sagte ich, „werde ich jetzt lieber gehen. Ich habe einen Termin um drei Uhr.“ Daß es sich um einen Termin mit Miss Howells auf der anderen Station handelte, verriet ich ihr nicht.
    „Danke, daß Sie gekommen sind“, erwiderte sie.
    Inzwischen befanden sich drei Schwestern auf der Station, die sich mit diversen Aufgaben beschäftigten. Zwei von ihnen kümmerten sich gerade um eine Patientin, die zwei Betten von Mrs. Waters entfernt lag. Sie kicherten leise, und ich wurde den Verdacht nicht los, daß ich der Anlaß ihrer Heiterkeit war.
    Ich entschloß mich zu einem raschen Abgang. Der auf Hochglanz polierte Fußboden beschleunigte ihn noch. Ich kam ins Rutschen und schlitterte auf eines der Betten zu. Ich klammerte mich daran fest, wobei ich eine erschrockene Patientin durchschüttelte und mich selbst vor dem Fallen bewahrte. Die beiden Schwestern brachen in schallendes Gelächter aus. Die Stationstür schwang auf, und der Drache erschien.
    Sie baute sich im Eingang auf, die Hände in die Hüften gestemmt.
    „Was ist hier los?“ fragte sie.
    Ich hatte das Gefühl, eine Erklärung abgeben zu müssen, bevor sie mich durch die Tür lassen würde.
    „Ich fürchte, ich bin — äh — ausgeglitten und habe mich gerade noch vor dem Fallen retten können“, erklärte ich.
    „Ihr Job ist es, andere vor dem Fallen zu retten“, sagte sie streng. „Schwester James, Schwester Williams, kommen Sie bitte in mein Büro.“
    Die Mädchen, die aussahen, als wären sie auf dem Weg zum Schafott, taten mir leid.
    „Es muß ziemlich komisch ausgesehen haben“, sagte ich zur Verteidigung der beiden Schwestern.
    „Es ist mir egal, wie es ausgesehen hat“, gab die Oberschwester zurück. „Krankenschwestern sollten sich beherrschen können.“ Dennoch schien ihre Empörung schon beträchtlich nachgelassen zu haben. Ich hatte den Verdacht, daß ihr Bellen schlimmer war als ihr Beißen. Zumindest hoffte ich das um der Mädchen willen.
    Als ich wieder draußen auf dem Korridor stand, seufzte ich erleichtert. Mein erster Krankenbesuch war vorüber. Zugegeben, es war eine Feuertaufe gewesen, aber ich war unverletzt daraus hervorgegangen, wenn man von den paar Dellen in meinem Ego und der leichten Zerrung in meinem Handgelenk absah.
    Ich raffte meinen Mut für die zweite Prüfung zusammen und ging zurück zur Evan-Morgan-Station, um Miss Howells zu besuchen. Lässig trat ich durch die Außentüren und ging zum Schwesternzimmer. Diesmal wurde auf mein Klopfen hin die Tür geöffnet. Eine hochgewachsene blonde Amazone von einer Krankenschwester blickte auf meine eins siebzig herab.
    „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie forsch.
    „Ich möchte gern Miss Howells besuchen, bitte“, erwiderte ich.
    „Kein Problem“, sagte die Amazone. „Die Station ist offen.“ Damit zog sie sich in ihr Büro zurück und schloß die Tür. Wie freundlich, dachte ich, verglichen mit dem Monster auf der Princess-Royal-Station.
    Zuversichtlich schob ich mich durch die Stationstür — und schon war meine Zuversicht wieder verflogen. Es war keine Krankenschwester zugegen, und ich hatte keine Ahnung, wie Miss Howells aussah. Nicht zum ersten Mal an diesem Nachmittag stand ich still und ratlos da. Die Schar der bettlägerigen Damen musterte mich, als wäre ich gerade erst aus dem Weltraum eingetroffen.
    „Ziemlich jung für einen Geistlichen, finden Sie nicht?“ sagte eine alte Dame im ersten Bett links.
    „Wen suchen Sie, mein Lieber?“ fragte eine andere ältere Patientin.
    „Miss Howells“, sagte ich und kam mir dabei vor wie Daniel in einer Löwinnengrube.
    „Sie ist hier drüben“, kam eine Stimme vom anderen Ende der Station.
    Mit wachsender Verlegenheit, gelegentlich auf dem gebohnerten Fußboden leicht rutschend, machte ich mich auf den Weg zu dem fernen Bett.
    Eine Dame mittleren Alters, die in einer rosafarbenen, wollenen Bettjacke im Bett saß, deutete auf eine liegende Gestalt in dem

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