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Unter uns Pastorentoechtern

Unter uns Pastorentoechtern

Titel: Unter uns Pastorentoechtern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Secombe
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abwürgte.
    „Was ist nur los mit Ihnen, Mr. Secombe?“ fragte Miss Owen, die furiose Harmoniumtreterin. „Sie sehen richtig krank aus, finden Sie nicht auch, Tom?“
    Tom Cadwallader brummte zustimmend.
    „Ich habe nur Kopfschmerzen“, erwiderte ich.
    Allmählich gewann ich meine Fassung zurück, während die Sonne durch die staubigen Fenster der kleinen Kirche drang und die Kühle aus den steinernen Mauern verbannte. Eine dösige Atmosphäre erfüllte das geweihte Gebäude. Ich machte mich auf eine laute Schnarchsonate des Küsters gefaßt.
    Unmittelbar vor der letzten Strophe von „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ erklomm ich die Kanzelstufen und schlug meine Bibel im zehnten Kapitel des Lukasevangeliums auf, den dreißigsten Vers. Als die Gemeinde auf den Bänken zusammengebrochen war, fing ich an: „Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho.“
    Ich wartete auf das erste Schnarchen von Tom. Es kam nicht. Ich fuhr fort, die geographische Lage der Straße zu schildern und die wichtigsten Handwerke in Jericho und andere uninteressante Aspekte jener Reise anzuführen, bei der es zur Begegnung mit dem guten alten Samariter kam. Immer noch kein Schnarchen.
    Zu meiner Verblüffung sah ich, als ich es wagte, von meinem hastig zusammengeschriebenen Manuskript aufzublicken, daß der Küster nicht nur wach war, sondern mich mit staunenden Augen ansah. So blieb es bis zum Ende der Predigt. Ich war perplex über die Wirkung meiner Rede, wobei ich die Tatsache ignorierte, daß mindestens zwei der anderen neun Kirchgänger einen „Cadwallader“ machten.
    Nach dem Gottesdienst legte ich gerade in der Sakristei meinen Talar ab, als Tom Cadwallader hereingeschlurft kam. Er war hellwach.
    „Danke für Ihre Predigt“, sagte er.
    „Das ist sehr nett von Ihnen“, erwiderte ich, wagte es aber nicht zu fragen, warum es heute kein Schnarchen gegeben hatte.
    „Wissen Sie“, fuhr er fort, „es ist nämlich so. Ich bin oft auf dieser Straße unterwegs gewesen.“
    „Tatsächlich!“ antwortete ich. Mir erschien es offensichtlich, daß er entweder einen Anfall von Geistesstörung hatte oder vorzeitig von Senilität überfallen worden war. Er sah höchstens sechzig Jahre alt aus.
    „Ja“, fuhr er fort. „Ich war mit Allenby in Palästina.“
    „Wer ist Allenby?“ fragte ich.
    „Er war der General“, sagte er. „Großartiger Mann.“ Hier, mitten in der Provinz, stand dieser begriffsstutzige Riese von einem Mann, ein Landarbeiter, der aussah, als wäre er nie weiter gereist als bis Cardiff. Und doch war er an Orten gewesen, die ich nur aus Büchern kannte. Es war eine heilsame Lektion für mich.
    „Von jetzt an“, sagte ich mir im stillen , „werde ich niemanden mehr nach dem äußeren Anschein beurteilen.“ Nach dem Gottesdienst stieg ich in den Wagen und ließ den Motor an. Er ließ sich nicht in Gang bringen. Die Männer aus der Gemeinde versuchten, das Auto anzuschieben und zu schaukeln — leider ohne Erfolg.
    Als ich eine Stunde später zu Fuß den Hang hinab auf das Pfarrhaus zukam, sah ich den Kanonikus in einer Wolke von Tabakrauch am Tor stehen. Aus der Ferne sah es aus, als stellte er einen Rekord auf, indem er zehn Zigaretten auf einmal rauchte.
    Als ich bei ihm ankam, kaute er vor Besorgnis geradezu auf der Zigarette.
    „Sagen Sie nichts“, rief er. „Ich habe das Krachen gehört, nachdem Sie losgefahren waren. Sir David hat mich angerufen. Wo ist das Auto?“
    „Ich... ich konnte es nach dem Gottesdienst nicht in Gang bringen“, sagte ich lahm.
    Er gab ein gewaltiges Knurren von sich.
    „Gehen Sie zum Mittagessen“, sagte er. „Ich werde mich von jemandem hinbringen lassen.“
    Als wir uns am nächsten Morgen zur Montagsbesprechung im Pfarrhaus trafen, machte der Pfarrer als erstes eine Bemerkung über meine Unfähigkeit, seinen Wagen zu starten.
    „Alles in Ordnung mit dem Wagen“, schnaubte er. „Ich habe ihn sofort in Gang gebracht.“
    Als er das sagte, dämmerte es mir: Ich hatte den Fuß auf der Bremse statt auf der Kupplung gehabt, als diese kräftigen Bauern mich anschoben. Ich erwähnte nichts davon.
    Damit hatte es mit meinem Autofahren in Pontywen ein Ende. Von da an war Bertie Owens Fahrrad mein einziges Gefährt.
    Dennoch wurde ich eine Woche später mit einem Auto nach St. Illtyd’s gefahren. Emily Humphries, sechsundachtzig Jahre alte Jungfer jener Gemeinde, verschied friedlich im Schlaf. Es wurde beschlossen, die Beerdigung am Montagnachmittag zu

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