Unter uns Pastorentoechtern
halten, um Überschneidungen mit der Eröffnung der Rugbysaison am Samstag zu vermeiden.
Es kam sehr selten vor, daß Tom Cadwallader ein Grab ausheben mußte. Die Bevölkerung rund um St. Illtyd’s war spärlich, und die Luft oben in den Bergen war wie Nektar.
Als ich am Sonntag abend den Gottesdienst in der Kirche hielt, blickte Toms ansonsten ausdrucksloses Gesicht finster drein. Sein Schnarchen war halbherzig und gedämpft. Etwas stimmte nicht. Nach der Andacht kam er in die Sakristei, offensichtlich aus irgendeinem Grund in großer Sorge.
„Halten Sie morgen die Trauerfeier?“ fragte er.
„Ja“, sagte ich. „Der Kanonikus muß zu einer Sitzung in die Kathedrale.“
„Ich bin noch nicht fertig mit dem Grab“, erwiderte er. „Dieser verd... dieser harte Felsboden“, fügte er hinzu.
„Ich hätte gedacht, daß Sie mit Ihrer Kraft durch alles durchkommen“, sagte ich.
Er machte ein beleidigtes Gesicht.
„Mit einer Schaufel kommt man nicht durch Felsen“, brummte er. „Nicht einmal mit einer Spitzhacke.“
Am Montagnachmittag traf ich mit großem Pomp auf dem Beifahrersitz einer Limousine, die der Firma Obadiah Evans und Sohn, Bestattungen, Cardiff, gehörte, vor der Kirche ein. Als ich durch die Tür, die mir Obadiahs Sohn aufhielt, aus dem Wagen stieg, sah ich Tom Cadwallader auf dem Friedhof stehen, wie er auf eine Spitzhacke gestützt in das offene Grab starrte.
Der Geleitzug der schwarzgekleideten Trauernden trat in die Kirche; ich selbst ging voraus und rezitierte die Begräbnisformel, dicht gefolgt von Obadiah junior mit gelüftetem Zylinder und einem schwarzen Anzug, der auf ein Gartenfest im Buckinghampalast gepaßt hätte. Miss Owen, die Organistin, spielte Händels „Largo“ auf eine Weise, die dem großen Komponisten mehr Schande als Ehre machte.
Es waren ungefähr zwanzig Trauernde anwesend, alle mit trockenen Augen, und die Inhaber der vordersten Plätze waren sichtlich mehr an der Eröffnung des Testaments interessiert als an ihrem Abschied von der Verstorbenen.
Ich las das Pauluswort: „Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich…“ In diesem Augenblick gab es draußen plötzlich eine laute Explosion. Es schien, als wäre der Tag des Gerichts gekommen.
Obadiah junior rannte, gefolgt von seinen vier Helfern, aus der Kirche. Ich fuhr mit 1. Korinther 15 fort, obwohl zwanzig Köpfe sich nach hinten umgedreht hatten, statt mich anzusehen. Ich sprach die Gebete und begann den Schlußchoral, ohne daß die Bestattungsmannschaft wieder auf tauchte.
Kurz vor dem Ende von „Näher, mein Gott, zu dir“ erschienen sie wieder mit allen Anzeichen einer völlig unpassenden Heiterkeit. Als die Organistin zum „Trauermarsch“ ansetzte, hatten sie ihre Fassung wiedergefunden.
Wir traten aus der Kirche ins Freie. Von frischer Luft konnte freilich kaum die Rede sein. Dafür war sie zu sehr mit Kordit erfüllt.
An der Grabstatt erwartete uns Tom Cadwallader mit einem etwas erschrockenen Gesicht, das aussah, als wäre er gerade in einer Kohlenmine gewesen. Als wir uns der letzten Ruhestätte für Emily Humphries näherten, verflog der letzte Zweifel, daß sie nicht in ein Grab, sondern eher in einen Krater gebettet werden würde. Bruchstücke von Felsen lagen um das Loch im Boden verstreut. Ein benachbarter Grabstein war umgestürzt; ein weiterer hatte Schlagseite, als wäre er betrunken.
Unter großen Schwierigkeiten senkten die vier Experten aus Cardiff den Sarg in den Bombenkrater. Nach der Größe der Aushöhlung zu urteilen, würde der Küster vierzehn Tage brauchen, um sie aufzufüllen.
Als die Trauernden gegangen waren, ging ich hinüber zu Tom, der sich hinter einer Eibe versteckt hatte. Er machte ein verlegenes Gesicht.
„Was ist passiert, Tom?“ fragte ich.
Was jetzt kam, war die längste Kette von Sätzen, die ich je von ihm gehört hatte.
„Ich habe mir ein bißchen Dynamit aus dem Steinbruch geholt. Sonst würden Sie jetzt noch warten. Ich habe wohl etwas zuviel genommen.“
12
„Lasset uns beten für die Gemeinde hier…“ Bevor ich mit meinem Gebet weiterkam, zuckte ich zusammen, weil hinter mir ein lautes Zischen wie von einer Kobra ertönte.
Es war der Mittwoch nach der explosiven Beerdigung, und ich stand mit dem Rücken zur Gemeinde vor dem Altar der Pfarrkirche. Ich beschloß, die Unterbrechung zu ignorieren. Die nächsten Sätze wurden von einer an Intensität zunehmenden Serie von Zischlauten
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