Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
leiseren Geräusch von kleinen Wellen, die plätschernd gegen den Schiffsrumpf schlugen, das Feld. Durch das plötzliche Fehlen des Dröhnens und der Vibrationen aus dem Schlaf gerissen, erhob sich Ann aus ihrer Koje und reckte die Arme. Sie massierte ihre Handgelenke, wo die Handschellen die Haut aufgescheuert hatten, und trat zu dem kleinen Bullauge im Steuerbordschott hinüber.
Noch war es dunkel. Vereinzelte Lichter sprenkelten das Ufer ungefähr eine Meile entfernt auf der anderen Seite des Flusses und verrieten ihr, dass sie am östlichen Ufer angelegt hatten. Der Fluss musste, dessen war sie sich sicher, der Mississippi sein. Von ihrem Ausgangspunkt in Paducah gab es nur eine Möglichkeit, sich flussabwärts zu bewegen, indem man den Ohio bis zu seinem Zusammenfluss mit dem Mississippi in der Nähe von Cairo, Illinois, wählte. Am Abend vorher hatte sie hinausgeblickt, die Lichter einer großen Stadt gesehen und auf Memphis getippt. Als dann die Silhouette eines großen Frachters flussaufwärts vorbeidampfte, vermutete sie, dass sie sich irgendwo in der Nähe von New Orleans befand.
Sie spülte sich das Gesicht in einem kleinen Waschbecken ab und durchsuchte abermals ihre Kabine nach etwas, das sie als potentielle Waffe verwenden konnte. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, das sie vorher schon mindestens zwanzig Mal durchgeführt hatte, aber wenigstens hielt es ihren Geist auf Trab. Diesmal kam sie nur bis zu einem leeren Schreibtisch, als sie hörte, wie das Türschloss klirrte und die Kabinentür aufschwang. In der Türöffnung stand Pablo, einen verträumten Ausdruck in den Augen und einen Baseballschläger in den Händen.
»Kommen Sie«, befahl er, »wir wechseln das Schiff.«
Er führte sie auf das Deck des Schleppers, wo er ihr den Baseballschläger auf dem Rücken durch die Armbeugen schob.
»Diesmal gibt es keine Schwimmübungen.« Mit einer Hand den Baseballschläger festhaltend, geleitete er sie vom Schleppschiff hinunter.
Als sie den spärlich beleuchteten Pier betraten, verursachten die Verrenkung und die unnatürliche Körperhaltung heftige Schmerzen in Anns Schultern. Pablo dirigierte sie an einem Lastkahn vorbei, von dessen Deck ein fahrbarer Kran den Flachbettauflieger heruntergehoben hatte. Vereinzelte Heuhalme trieben durch die Luft, während Pablo und Ann dem Kran folgten, der über ein Gleis zu einem kleinen Frachtschiff rollte. Im trüben Licht konnte Ann den Namen des Schiffes auf dem Heckspiegel entziffern. Salzburg. Obgleich der Pier bis auf den Kranführer verlassen war, hatten sich mehrere mit Gewehren bewaffnete Männer in Kampfanzügen an der Reling des Frachters aufgebaut.
»Bitte lassen Sie mich gehen«, flehte Ann, als ihre Angst übermächtig wurde.
Pablo lachte. »Nicht bevor wir unseren Auftrag ausgeführt und geliefert haben. Danach können Sie sich Ihre Freiheit vielleicht … erarbeiten«, fügte er mit einem lüsternen Grinsen hinzu.
Dann begab er sich mit ihr über die vordere Gangway auf den Frachter und überquerte das Deck. Eine große rechteckige Schüssel, die auf einer fahrbaren Plattform ruhte, versperrte ihnen den Weg. Daneben war ein Matrose gerade damit beschäftigt, Kabel und Leitungen zu kontrollieren, die an einer Steuerkonsole zusammenliefen, die mit Stromaggregaten und Computermonitoren ausgestattet war. Als sie daran vorbeigingen, hob der Mann den Kopf und blickte Ann kurz in die Augen.
Sie sah ihn unterwürfig an und flehte stumm um Hilfe.
Er lächelte, während sie ihn passierten. »Nehmen Sie sich in Acht, dass Sie nicht gegrillt werden«, warnte er.
Pablo stieß Ann weiter und brachte sie zum Deckaufbau am Heck und danach in die zweite Etage, wo sich die Mannschaftsquartiere befanden. Ihre neue Kabine war ein wenig größer als die vorherige, hatte jedoch ebenfalls nur ein winziges Bullauge.
»Ich hoffe, Sie sind mit Ihrem Quartier zufrieden«, sagte Pablo und zog den Baseballschläger aus ihren Armbeugen. »Vielleicht können wir später auf unserer Reise ein wenig Zeit miteinander verbringen.« Er verließ die Kabine und schloss die Tür von außen ab.
Ann ließ sich auf die harte Koje sinken und starrte die Tür an. Im Gegensatz zu ihrer Show Pablo gegenüber hatten sich ihre Ängste weitgehend verflüchtigt und dafür einer rasenden Wut Platz gemacht. Es war offensichtlich, dass der Frachter im Begriff war, das Land zu verlassen, und mit ihm der Motor der Sea Arrow und seine Konstruktionspläne. Von nun an wäre sie für Tage, wenn
Weitere Kostenlose Bücher