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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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grünes Tarnnetz, wie es vom Militär verwendet wurde, wäre noch besser gewesen, aber es musste auch so gehen. Ein dunkelgrünes T-Shirt, blaugrüne Jeans, jeden Zentimeter nackte Haut beschmiert mit dunklem Matsch vom Ufer des Wildbachs, den Rucksack drapiert mit Tannenzweigen – so hob sich die bewegliche Gestalt kaum vom undefinierbaren Dunkelgrüngraugewirr der Waldvegetation ab. Menschliche Konturen waren nicht mehr erkennbar. Die Äbtissin hatte ihre Camouflage kurz getestet, sie hatte sich vor einen Busch gehockt, die in einigen Metern vorbeimarschierenden und in alle Richtungen deutenden Wanderer hatten sie nicht bemerkt. Da würde sie ein autistischer Psychopath doch erst recht nicht bemerken! Sie war lange um den Grennersteig herumgestreift, der eine halbe Stunde von hier entfernt lag – genau da hatte sie ihn vorgestern noch aus einem Busch glotzen sehen. Dann war sie Richtung Wolzmüller-Alm gegangen, und auf der Lichtung hatte sie ihn wiedergesehen, diesen grobschlächtigen Typen in dem schwarzen Lodenmantel, in dem er sich wahrscheinlich totschwitzte, unsicher hin und her tappend, manchmal scheinbar ohne Grund stehenbleibend. Eine leichte Beute. Trotzdem war sie darauf gedrillt, nie leichtsinnig zu sein. Sie war ihm zehn Minuten gefolgt, es war kein Mensch weit und breit zu sehen gewesen, jetzt hatte er sich unter einen kleinen, freistehenden Ahornbaum gesetzt. Prima. Sie nahm die leichte Uzi-Pistole aus ihrem Rucksack. Sie wollte das Rohr des Schalldämpfers gerade in die Windung schrauben, da steckte sie das gute Stück kurz entschlossen wieder zurück. Goldene Regel: Abgestürzte Berg-Leiche schlägt Leiche mit Schussverletzung. Kein verräterischer Knall – größerer Vorsprung. Sie hatte vorher ganz in der Nähe eine Felswand gesehen, die zwanzig Meter steil nach unten abfiel. Da konnte man schon mal straucheln und ausrutschen. Sie öffnete die Seitentasche ihres Rucksacks und holte die Drahtschlinge heraus. Das eingerollte Seil hatte lediglich eine Länge von acht Metern, aber wenn sie sich hinter seinem Rücken noch ein Stück weiter heranrobbte, würde es völlig ausreichen. Der Typ hatte sich mit ruckartigen Bewegungen umgesehen, jetzt saß er entspannt da. Sie umfasste die Drahtschlinge und schätzte die Entfernung ab. Als wenn er das gespürt hätte, steckte der Typ seinen Kopf unter den Mantel. Das Mantelzelt bewegte sich, wahrscheinlich suchte er nach einer bequemen Schlafposition. Nein, doch nicht, der Kopf tauchte wieder auf. Die Äbtissin erhob sich langsam, schlich im Halbkreis um ihn herum, um sich auf diese Weise von hinten zu nähern. Als der Kopf wieder vollständig aus dem Mantel aufgetaucht war, warf sie die Schlinge. In der gleichen Sekunde bemerkte die Äbtissin etwas, was sie überhaupt nicht erwartet hätte. Der Wolzmüller Michl hielt eine Pistole umklammert! Und er zielte auf sie! Doch er kam nicht mehr dazu, abzudrücken. Sie war um die entscheidende Zehntelsekunde schneller gewesen. Sie war stolz auf sich. Nur so konnte man auf dieser Welt überleben. Man musste eine halbe Umdrehung mehr schaffen. Oder eine Zehntelsekunde früher dran sein. Genau auf dieses Zehntel kam es an.

    Jennerweins Sinne waren geschärft, er war hochkonzentriert, und darum hatte er das Sirren gehört, ein Sirren, das überhaupt nicht in die Landschaft passte, es war kein Sirren von Bienen oder Libellen, es war ein metallisches Sirren. Er musste nicht lange nachdenken. Blitzschnell zog er die Waffe und zielte in Richtung dieses Sirrens. Er kam nicht mehr dazu, die undeutliche Gestalt näher ins Auge zu fassen, denn im selben Moment spürte er schon die Schlinge, die sich um seinen Hals zog. Der Schmerz ließ ihn alles andere vergessen. Die Waffe fiel zu Boden. Er griff mit den Händen an den Hals, aber er wusste, dass er die Finger nicht mehr zwischen Draht und Haut brachte. Sein Team! Wo war sein Team? Sie mussten gleich hier sein. Der Schmerz, der sich um seinen Hals legte, und die Drahtschlinge, die ihm die Kehle zuschnürte, rissen ihn aus dem Bewusstsein.

    Nicole Schwattke hatte sich gegenüber Ludwig Stengele und Franz Hölleisen durchgesetzt: Sie waren etwas langsamer gegangen, um auf Maria Schmalfuß zu warten.
    »Zu dritt schaffen wir das nie, den Chef zu beschatten«, hatte sie gesagt, und die anderen hatten ihr schließlich recht gegeben. Die Taktik der Beschattung war klar: Sie durften ihm nicht zu nahe kommen, die Äbtissin hätte das bemerkt. Sie durften ihn aber auch nicht

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