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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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hoffnungsvoller kleiner Schmetterling, doch Gustav schüttelte den Kopf.
    »Ich hab nicht gesehen, was auf den Kisten stand«, sagte er zögernd. »Aber die Art von Kisten kenne ich. Da war Sprengstoff drin. Die bringen Sprengstoff an Land.«
    Ich blieb stumm. Irgendwo in meinem Kopf schien eine Antwort versteckt, eine Erinnerung, als müsste ich schon Bescheid wissen, aber ich kam nicht darauf.
    »Mein Alter sagt das auch«, fügte Gustav hinzu. »Die wollen die Insel sprengen, das soll sogar schon in der Zeitung gestanden haben.«
    Als wir aus dem Hinterhof traten, war die Polizei verschwunden und einige Händler wagten sich bereits aus ihren Verstecken. Mein Blick fiel auf Wim, der zu uns hinüberkam.
    Der Polizist, dachte ich. Im Tauschladen. Am Tag, als ich unsere Schüssel entdeckt hatte.
    »Ich muss nach Hause«, sagte ich zu Wim, noch bevor er uns erreicht hatte.
    »Wie siehst du denn aus? Hat dich einer erwischt?«, fragte er erschrocken. Als Gustav ohne ein Wort weiterging, beugte er sich vor. »Hat der dir was getan?«
    »Quatsch. Wir waren in Herrn Goldsteins Keller.«
    »Na, dann ist es ja gut.«
    Während ich nach Hause krückte, wich Wim nicht von meiner Seite, obwohl sein Warenbeutel noch fast voll war; zweifellos wartete er darauf, dass ich erzählte, was passiert war. Doch ich brachte es einfach nicht fertig. Als könnte ich das, was Gustav behauptet hatte, aufhalten, wenn ich nur nicht darüber redete!
    Das Weinen von Frau Bolle war uns mehr als vertraut, ungewöhnlich war nur, es am helllichten Tag zu hören. Alle außer Mem und Nora waren in der Küche und umstanden ratlos den Tisch, an dem die Unglückliche heulte und ein Handtuch zerknüllte.
    »Habt ihr Sandra und Brigitte gesehen?«, fragte Ooti, sobald Wim und ich durch die Tür traten.
    »Nein, was ist denn mit ihnen?«
    »Sie sind nicht nach Hause gekommen!«, wehklagte Frau Bolle.
    Wim erwiderte überrascht: »Es ist doch auch erst kurz nach fünf!«
    »Sie sind gestern Abend schon nicht gekommen«, erklärte Ooti, worauf Frau Bolle erneut in herzzerreißendes Jammern ausbrach. »Frau Bolle hat in der Fabrik nachgefragt, aber dor t … tja, dor t …«
    » … waren sie seit drei Monaten nicht mehr!«, schrie Frau Bolle verzweifelt.
    Ich setzte mich ihr gegenüber auf die Bank. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mein Kopf könnte platzen von allem, was sich an einem einzigen Nachmittag hineindrängte.
    »Ich versteh das nicht!«, heulte Frau Bolle. »Sie sind jeden Morgen pünktlich aus dem Haus gegangen, ihr habt es doch alle gesehen.«
    Ich weiß, wo sie sind, dachte ich bestürzt, aber wie sagt man so etwa s …?
    Mein Blick fiel auf Herrn Helmand, der am Fenster lehnte. Wieso sagte er eigentlich nichts? Er kannte Sandra und Brigitte aus dem Bunker, daran bestand kein Zweifel; die beiden hatten sich sichtlich erschreckt, als sie ihm im Haus begegnet waren. Aber obwohl Herr Helmand die Vokabeln kennen musste, die mir fehlten, ließ er sich nichts anmerken.
    »Ich hätte da vielleicht eine Idee«, hörte ich Wim gedehnt sagen. »Vielleicht besser in Ihrem Zimmer, Frau Bolle?«
    Frau Bolle stand sofort auf, packte ihn am Arm und drängte ihn die Treppe hinauf.
    »Was soll denn das?«, fragte Nora verblüfft und stand ebenfalls auf. »Richard, wollen wi r …«
    Ein Wutschrei zerriss die Luft, eine Serie klatschender Laute, heiser hervorgespuckte Worte: »Du Lügner! Lügner! Lügner!«
    Nora und Herr Helmand stürmten nach oben, in ihrem Gefolge alle außer mir, der es ohnehin keine Schwierigkeiten bereitete, zu erkennen, was gerade passierte.
    »Aufhören! Lassen Sie meinen Sohn los!«
    »Alles Lüge! Rotzbengel! Was fällt dir ein?«
    »Beruhigen Sie sich doch!«
    Ein Poltern ertönte, als Wim die Treppe wieder hinunterrannte. Im Flur erkannte er wohl, dass ihm niemand folgte, denn er kam zu mir in die Küche, rote Flecken, Kratzer und ein verstörtes Grinsen im Gesicht.
    »Hör dir das an«, sagte er und ließ sich auf die Bank fallen. »Jetzt dreht sie völlig durch.«
    Ich stand auf und hielt das Handtuch, das Frau Bolle auf dem Tisch liegen gelassen hatte, unter den Wasserhahn, dann setzte ich mich neben Wim und kühlte sein Gesicht. Ich war überrascht, mich selbst bei einer so kühnen Handlung zu ertappen, aber Wim schien nichts dagegen zu haben, er hielt mir das Gesicht sogar hin, damit ich besser drankam.
    »Sieht es schlimm aus?«
    »Ich tu, was ich kann«, erwiderte ich, obwohl sich die Fingerabdrücke bereits deutlich

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