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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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versprochen wurde, muss man halten. Immer, auch wenn’s mal schwerfällt. Wenn du nicht sicher bist, versprich eben nichts.«
    Es war ganz, wie ich befürchtet hatte, und ich blieb ratlos zurück. War es ein Wunder, dass ich anfing, mir von jemandem Hilfe zu erhoffen, der nicht einmal hier war?
    Doch die erste Woche verging, dann die zweite, und nichts geschah, außer dass wir mit einem Mal andere Sorgen hatten, hinter denen der Verräter noch eine Zeit in Deckung gehen konnte.
    Es gibt unzählige Arten von Bomben. Man kann die Welt um sich herum in Trümmer fallen sehen und dennoch jede Wette eingehen, dass man nur einen Bruchteil dessen erlebt, was Krieg führende Länder in petto haben. Man kann bestens Bescheid wissen über Leucht-, Spreng- und Splitterbomben, wie man Brandbomben erkennt, packt und auf die Straße wirft und wie viel Zeit einem bleibt, um die Wohnung leer zu räumen, wenn der Dachstuhl in Flammen steht. Aber selbst wenn man dies ein Dutzend Mal erfolgreich mitgemacht hat, braucht man sich nicht einzubilden, man hätte schon alles gesehen.
    Vor allem braucht man nicht zu glauben, im Frieden nicht mit Bomben rechnen zu müssen. Bomben im häuslichen Bereich sind von geringer Sprengkraft und für Außenstehende oft nicht zu erkennen, weshalb man auch nur davon redet, dass sie platzen . Aber der Überraschungseffekt kann das durchaus wettmachen. Der Dachstuhl kann seit Wochen gequalmt haben und man hat es nicht einmal vermutet.
    Auch Mems kleine häusliche Bombe hatte einen solchen auf Verzug eingestellten Zünder.
    »Stellt euch vor, Captain Sullavan hat mich ins Kino eingeladen«, verriet sie eines Abends vor dem Zubettgehen und ihre Augen sprühten Sternchen ins trüb erleuchtete Zimmer wie eine Wunderkerze in der Neujahrsnacht.
    »Na, da wird er aber Ärger bekommen«, erwiderte Ooti in die Stille hinein, die sich bei Mems Ankündigung über uns alle gelegt hatte. Henry war im Entfalten seiner Decke erstarrt, ich im Ausziehen meiner Socken.
    »Aber nein, viele Engländer verabreden sich inzwischen mit deutschen Frauen, da ist gar nichts dabei«, meinte Mem und bürstete fröhlich ihr Haar.
    »Sprechen wir von deutschen verheirateten Frauen?«, vergewisserte sich Ooti.
    »Sei kein Spaßverderber, Mutter. Weißt du, wie lange ich nicht mehr im Kino war? Es ist übrigens das neue Tommy-Kino, in das sie normalerweise gar keine Deutschen hineinlassen.«
    »Und hinterher«, argwöhnte Ooti, »geht ihr noch irgendwo nett essen.«
    »Schon möglich, also wartet morgen nicht auf mich.«
    Henry und ich tauschten einen Blick, wenngleich aus reiner Gewohnheit und ohne dass schon etwas daringestanden hätte, was sich in Worte fassen ließ.
    »Wilma«, sagte Ooti dumpf, »muss ich mir Sorgen machen um dich und Reimer?«
    »Aber Mutter«, erwiderte Mem nur, sie zog nicht einmal die Brauen hoch.
    Ich erwog, ob ich jetzt vielleicht auch etwas sagen sollte, etwas wie: Denk an deine Kinder .
    »Warum soll Mem nicht mit Captain Sullavan ins Kino gehen?«, hörte ich mich stattdessen fragen. »Das ist doch ihr Arbeitgeber. Das hat mit Foor gar nichts zu tun.«
    Nicht wahr?, fügte ich in Gedanken hinzu, aber Mem hörte die Frage nicht, sie warf mir einen verblüfften, dankbaren Blick zu und auch Ooti lenkte sofort ein.
    »Ja, wenn ihr mein t … wenn ihr meint, dass Reimer nichts dagegen hätt e …!«
    »Wenn ich du wäre, würde ich es ihm ganz ausführlich schreiben«, erwiderte Mem, was nicht unbedingt in der Tradition diplomatischer Antworten lag, die wir von ihr gewohnt waren. Ooti sah augenblicklich aus, als habe man sie um ihren Schlaf gebracht, noch bevor wir überhaupt zu Bett gegangen waren.
    Wenigstens stand, als Henry und ich ein zweites Mal die Blicke kreuzten, endlich wieder etwas Brauchbares darin: morgen Abend vor dem neuen Tommy-Kino!
    Aber etwas mit eigenen Augen zu beobachten, bedeutet nicht, Bescheid zu wissen. Mit dieser Erkenntnis sollten wir noch hinlänglich Bekanntschaft machen.
    »Dass sie an seinem Arm geht, heißt gar nichts«, behauptete ich. »Das machen die Tommys immer so. Es hat ungefähr dieselbe Bedeutung, wie fremden Damen die Tür aufzuhalten.«
    »Aha, und woher weißt du das?«
    Ich gestand, meine Quelle vergessen zu haben, aber da jeder einzelne Tommy, der in Begleitung zum Kino kam, seine Dame am Arm führte, musste Henry zugeben, dass an der Sache etwas dran war. Wir sahen Mem und Captain Sullavan dabei zu, wie sie Eintrittskarten lösten und am Kassenhäuschen vorbei im

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