Unterm Messer
fotografieren.
„Das wird aber auch Zeit“, sagt Vesna wenig später durchs Telefon. „Habe mir schon Sorgen gemacht, du wirst auch gekocht.“
„Bist du schon in der ,Oasis‘?“
„Bin ich dran vorbeigefahren. Ich wollte zuerst absprechen mit dir. Wenn du dich allerdings nicht hättest gemeldet, Mira Valensky, dann wäre ich rein.“
Klingt nach Rambo. Rambo Vesna. Irgendwie total beruhigend. Vesna, auf sie kann ich mich verlassen. Wir stellen fest, dass sie in meiner Nähe ist, im Garten eines Gasthauses mit Blick auf die „Beauty Oasis'. Es dauert keine drei Minuten und ich bin bei ihr. Wie die Rächerin in Person sieht sie nicht aus, eher wie eine entspannte Touristin. Vor sich ein großes Glas Himbeersaft, das Gesicht zur Sonne gewandt.
Eine junge Kellnerin sieht mich fragend an. „Einen weißen Gespritzten bitte!“ Zu Vesna sage ich: „Den kann ich brauchen.“ Dann küsse ich sie auf beide Wangen. Ist nicht unser übliches Begrüßungsritual, aber ich bin so froh, sie zu sehen. Und mit ihr einen fixen Bestandteil meines normalen Lebens.
„Was soll ich mir machen lassen?“, überlegt Vesna. „Soll ich mir nur Oberlider straffen lassen oder soll ich mehr Busen kriegen? Valentin würde es, glaube ich, gefallen.“
Ich sehe sie entsetzt an. So viel zum Thema „normales Leben“. Vesna lacht. „Du glaubst doch nicht im Ernst! Aber ich werde mir Operation ausdenken, die ich bei dem Professor dann überlege. Will ein paar Tage Verwöhnungsprogramm und dabei über Verschönerung mit Messer nachdenken.“
„Ob die Redaktion den Aufenthalt zahlen kann ... ich weiß nicht“, überlege ich laut. Die ,Beauty Oasis‘ ist alles andere als günstig. Zimmerpreis pro Nacht: 288 Euro, jedes Extra ist auch extra zu bezahlen. Wenn eine gute Story rauskommt, ist unser Chefredakteur nicht kleinlich, da sind für „kurzfristige freie Mitarbeiter“ schon Spesen drin. Wenn nicht ...
„Kann ich mir schon leisten, wenn ich möchte“, erwidert Vesna. Vor einigen Monaten hat sie ihre Wohnung aufgegeben und wohnt nun bei Valentin. Ihr altes Büro mit dem schönen Schild „Sauber! Reinigungsarbeiten aller Art“ hat sie allerdings bis auf Weiteres behalten. Eigentlich soll das Haus ja abgerissen werden, aber es gibt immer wieder Verzögerungen, und solange die dauern, will sie bleiben. „Miete ist günstig und Klienten, die rundherum wohnen, sind mir bekannt“, sagt sie, wenn wir sie wieder einmal überreden wollen, doch das kleine Geschäftslokal unter der Kanzlei von Oskar zu nehmen.
Ich erzähle Vesna so detailreich wie möglich alles, was ich in der Schönheitsoase gesehen und erlebt habe. Wozu dieses Metallplättchen, das ich noch immer in meiner Tasche habe, üblicherweise dient, weiß sie auch nicht. Grünwalds Streit mit den beiden Ausländern interessiert sie besonders.
„Du hast sicher gar nichts gesehen von ihnen?“
Ich schüttle den Kopf.
„Ist sehr schade. Dann wir hätten vielleicht gewusst, ob sie sind Lateinamerikaner oder Spanier. Name ist keiner gefallen?“
„Ganz sicher nicht.“
„Ich werde versuchen, die beiden zu finden. Wenn sie sind noch in Oase.“
„Sie haben Grünwald gedroht, dass sie alles sehen, was er tut.“
„Das klingt gut. Dann ich werde sie treffen.“
Ich muss mich entscheiden, ob ich heimfahre oder mir irgendwo in der Gegend ein Zimmer nehme. Ich wäre gern in Oskars, in unserer großzügigen Dachwohnung mit Blick über Wien. Alles geordnet und sicher. Zumindest kommt es mir in dem Moment so vor. Andererseits: Meine Story spielt sich hier ab. Ich sollte mit dem Gerichtsmediziner sprechen. Vielleicht gibt es schon erste Ergebnisse. Wird er mir allerdings kaum auf die Nase binden. Chefinspektor Knobloch. Noch einer, der auf meiner Liste steht. Die alte Nonne Gabriela. Sie ist wohl die, die mir am ehesten Neuigkeiten erzählt. Die Sache mit dem Hildegard-Aufguss. In ihrem Büro riecht es nach Lavendel. Und die jüngste ihrer Nonnen stirbt in einer Sauna. Zufall?
„Ich halte mich an Faktisches“, sagt Vesna bestimmt. „Suche spanisch sprechende Männer, möchte in alten Wellnesstrakt kommen und mit Personal reden, ob die alte Sauna von ihnen noch verwendet wird. Auch Professor weiß nicht alles.“
Ich werde versuchen herauszufinden, wie viel der Gerichtsmediziner weiß. Und wie viel er bereit ist mir zu erzählen. Zum Glück ist es hier leichter, an Behörden heranzukommen als in Wien. Ich habe mich im Feldbacher Krankenhaus einfach zur Gerichtsmedizin
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