Unterm Messer
unzufriedenen Kunden?“ Es ist mir einfach entschlüpft.
Er sieht mich mit einem scharfen Blick an. „Operation. Sollten Sie über Ihr Medium irgendwelche Unwahrheiten verbreiten, sehe ich mich gezwungen, meine Anwälte einzuschalten. Ganz abgesehen davon möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich ein sehr guter Anzeigenkunde des ,Magazin' bin.“ Er reißt die Tür auf. Sieh an, so einer wie er hat keinen Anwalt, er hat gleich „Anwälte“! Aber ich sage nichts, gehe durch die Tür ins Vorzimmer, die Engel-Sekretärin springt auf, eilt an meine Seite. „Ich bringe Sie zur Rezeption“, sagt sie und schwebt in halbhohen edlen Pumps neben mir den Gang entlang. Endlos lange Beine, zumindest mit Schuhen ist sie gleich groß wie ich. Allerdings sicher um zwanzig bis fünfundzwanzig Kilo leichter. Ich könnte sie umpusten. Oder wegstoßen. Und was, wenn sie den schwarzen Gürtel in Karate hat? Momenten halte ich beinahe alles für möglich. Außerdem: Wohin sollte ich ihr entkommen wollen? Ich hole tief Luft und plaudere mit möglichst entspannter Stimme: „Was halten Sie von Karate?“
„Oh, ich habe es probiert. Aber ich mag Kickboxen viel lieber. Ich war einige Jahre steirische Meisterin.“
Tja, eben. „Sie wohnen im Haus?“
„Sie dürfen es Professor Grünwald nicht übel nehmen, wenn er etwas schroff war. Er hat es nicht leicht, nach dem, was geschehen ist. Sie müssen wissen, die ,Oasis' ist sein Leben.“
[ 3. ]
Ich checke aus, der Engel weicht nicht von meiner Seite. Ich erfahre, dass die Rechnung schon beglichen ist, eine Einladung von Professor Grünwald mit herzlicher Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten. So leicht bin ich allerdings nicht ruhigzustellen.
„Ich gehe nur noch rasch auf die Toilette“, sage ich meiner Begleiterin. Leider habe ich mich nicht besonders professionell verhalten. Ich hätte gestern Nacht zumindest mit meinem Mobiltelefon Fotos machen sollen. — Will ich, dass die Bilder einer nackten, niedertemperaturgegarten Nonne veröffentlicht werden? Das hätten wir später entscheiden können. So gibt es gar nichts zu entscheiden. Vielleicht kann ich von der Toilette noch rasch Richtung Wellnessbereich abbiegen. Ich wasche mir die Hände und öffne vorsichtig die Tür. Der Engel wartet zwei Meter weiter und reibt sich gerade den rechten Fuß. Offenbar sind die Pumps nicht besonders bequem. Schadenfreude bringt mich allerdings auch nicht weiter. Wenn ich einfach losrenne und dann im Gang nach links ... Quatsch. Die holt mich ein. Und selbst wenn nicht - wozu sollte das gut sein? Ich gebe mit dem unguten Gefühl, eine Chance vertan zu haben, auf, gehe Richtung Ausgang.
„Ich schwöre Ihnen, ich fahre ab“, sage ich zu meiner Begleiterin. Sie nickt und trabt weiter neben mir her. Ich gehe auf den Parkplatz, öffne meinen Honda, lege die Tasche auf die Rückbank, steige ein. Der blond gelockte Engel steht immer noch da. Ich gebe Gas, nehme die Straße Richtung Ortschaft. Ich sehe in den Rückspiegel. Der Engel winkt. Tatsächlich.
Zumindest scheint mich niemand zu verfolgen. Zwei Kilometer später halte ich an einem Aussichtspunkt. Von hier kann man zur Burg hinübersehen. Eindrucksvoller Bau hoch oben auf einem Vulkanfelsen. Neben mir stehen zwei Italienerinnen und fotografieren einander mit dem trutzigen Gemäuer als Hintergrund. Ich atme durch. Spätsommer. Hügeliges freundliches Land. Der Rest geht mich nichts an. Ist Sache der Polizei. Vielleicht sollte ich Chefinspektor Knobloch vom seltsamen Streit Grünwalds mit den beiden Ausländern erzählen?
Ich sehe, dass mir Vesna bereits fünf SMS geschickt hat. Aber zuerst rufe ich meine Fotografin an. Endlich geht sie ans Telefon. Sie hatte einen Autounfall. Nichts Schlimmes, ein Mann mit einem dicken BMW sei aus einer Seitengasse gebogen und habe ihr Auto regelrecht abgeschossen. Viel Blechschaden, nur kleine Blessuren. Aber es habe eben gedauert, bis die Polizei den Unfall aufgenommen habe, bis ihr Auto abgeschleppt worden sei, bis sie sich einen Ersatzwagen besorgt habe. Wo sie denn jetzt sei. Nicht weit entfernt, in IIz. Wir vereinbaren, dass sie, wenn es sich bis zur Dämmerung ausgehe, noch einige Fotos der Schönheitsklinik macht. Vor allem hätte ich gerne Bilder von der Hangseite. Nein, Weg gebe es dorthin keinen. Sei sozusagen Teil der Fassade, dieser durch Balkone terrassierte Hügel. Meine Kollegin verspricht, es trotzdem zu versuchen und danach, wenn man sie nicht hinauswerfe, zumindest in der Lobby zu
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