Unterm Messer
anderes wäre, wenn Grünwalds Cremes und Pillen im Zusammenhang mit den Erzeugnissen der Nonnen stünden und ...
Die Stimmen kommen näher. Zu nahe.
„Wir wissen, was Sie tun. Immer“, sagt der mit der grollenden Stimme. Ich wickle einen der Kittel um mich und hoffe, dass keiner der drei zu Boden sieht. Meine Füße kann ich hinter dem Kleiderständer nicht verstecken. Die Männer durchqueren den Vorraum rasch, sind draußen. Ich atme auf. Sie haben mich nicht entdeckt. Ich hatte den Mantel über dem Kopf, gesehen habe ich die Spanier, oder woher immer die beiden Männer stammen, nicht. Schnell, auf den Gang. Zu spät. Keiner mehr da. Ich gehe langsam weiter. Was habe ich hier per Zufall mitgehört? Ich sollte dringend mit Vesna reden. Ist sie schon im Haus? Jemand biegt beim Lift ums Eck, kommt durch den Gang auf mich zu. Gleichzeitig geht die Doppeltür aus Eiche auf. In der Falle, Mira! Mein Herz rast. Hätte ich nur nicht ...
„Da sind Sie ja“, sagt der blonde Engel von gestern Nachmittag von der Tür her.
„Was machen Sie hier?“, fragt Grünwald gleichzeitig und kommt näher. Er klingt nervös. Aber das hat vielleicht mit den beiden Südländern zu tun.
„Ich wollte sie abholen, habe sie überall gesucht“, teilt der Engel seinem Chef mit.
„Oh“, mische ich mich ein und lächle unschuldig. „Das tut mir aber leid! Ich habe mich verirrt. Aber jetzt bin ich ja richtig.“
„Sie scheinen sich häufig zu verirren“, knurrt Grünwald, stapft vor mir durch das Sekretariat in sein Büro und schließt hinter mir die Tür. Offenbar hat die Auseinandersetzung mit seinen Geschäftspartnern der professoralen Laune nicht gutgetan. Leider kann ich ihn schlecht fragen, was hinter dem Streit gesteckt hat.
Grünwald bleibt für einen Moment mit dem Gesicht zur Tür stehen, dann dreht er sich zu mir um und setzt eine Art Botox-Miene auf: entspannte Züge, ruhiggestellt durch eine Dosis Nervengift.
„Es tut mir sehr leid, aber wir sind restlos ausgebucht. Man hat Ihnen das an der Rezeption schon gesagt. Ich ersuche Sie, nichts anderes zu vermuten, wir sind eben eine zum Glück sehr gut gehende Einrichtung. Ich arbeite eng mit der Polizei zusammen und habe heute vor interessierten Medienleuten bereits ein Statement abgegeben. Wenn es Neuigkeiten gibt, werde ich das natürlich wieder tun und Sie sind herzlich eingeladen.“ Grünwald versucht ein Lächeln, es misslingt, wird bloß ein Zucken im linken Mundwinkel. Ist eben doch nicht gesund, wenn man sein Gesicht immer wieder aufpeppt. Nein, Mira. Es ist etwas anderes. Der Typ steht kurz vor der Panik. Okay, ein Mord tut dem Image seiner Wohlfühloase sicher nicht gut. Aber erklärt das alles?
Ich werde noch ein Scherflein zu seinem Unwohlsein beitragen. „Sie haben mir Sam Miller geschickt, um mich ohne Widerstand aus dem Zimmer zu kriegen. Ich frage mich bloß, warum? Was soll ich nicht sehen? Worüber soll ich nicht schreiben?“
Professor Grünwald starrt mich an. Gesichtsausdruck: totale Überraschung. Er ist wirklich ein guter Schauspieler. „Wen? Sam? Das ist doch nicht wahr. Sie waren bis zum Checkout nicht im Zimmer, also haben wir für Sie gepackt. Was hat Sam Miller damit zu tun?“
„Sie haben ihm aufgetragen, mich so richtig zu verwöhnen.“
Er sieht mich mit einer Art ehrlicher Abneigung an. „Das hätte ich für übertrieben gehalten.“
Ich zucke mit den Schultern. Ich habe nicht vor, mich auf seine Spielchen einzulassen. „Jedenfalls herzlichen Dank dafür. — Seit wann ist übrigens der alte Wellnessbereich stillgelegt? Seit Sie das Hotel übernommen und umgebaut haben? Wie sind Sie eigentlich zu dem Hotel gekommen?“
„Wir haben eine Presseerklärung veröffentlicht, wären Sie nicht auf Abwegen gewesen, würden Sie sie längst in Händen halten. Mehr werde ich nicht sagen. Ich möchte auf keinen Fall riskieren, dass die Arbeit der Polizei erschwert wird.“
„Wo wohnt eigentlich das Personal?“
„Was hat das mit dem unglücklichen Tod von Schwester Cordula zu tun?“
„Nichts. Deshalb können Sie mir die Frage wohl auch beantworten.“
Professor Grünwald schaut auf seine Uhr. Es ist ein eindrucksvolles Stück aus Gold. Ich starre auf eines der gerahmten Fotos. Eine Frau mit Karpfenlippen und vielen schneeweißen Zähnen bleckt den Schönheitschirurgen an. Ich kenne sie aus diversen Society-Magazinen.
„Es tut mir leid, ich bin meinem straffen Zeitplan weit hinterher“, sagt der Professor.
„Meeting mit
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