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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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durchstellen lassen und schon ist Karl Simatschek am Apparat. Ja, er sei gerade dabei, die Leiche zu obduzieren. Ob ich — quasi privat und ohne Fotos zu machen — bei unserer Toten vorbeischauen wolle.
    „,Unserer‘ Toten?“, frage ich.
    „Ohne Ihren geistesgegenwärtigen Hinweis hätte jemand von uns die Leiche bewegt und dann wär ihr das Fleisch abgefallen. Sie ist ziemlich durch, das kann ich jetzt mit Sicherheit sagen.“
    „Und sonst?“
    „Na kommen Sie eben vorbei.“
    Ich zögere. Gerichtsmedizinische Abteilungen sind nicht mein Fall. Selbst wenn ein fröhlicher Arzt neben der Leiche steht.
    „Sie mögen unseren Geruch nicht“, tippt Simatschek.
    „Hm, unter anderem“, murmle ich und denke mir dann, ich hätte wohl etwas differenzieren sollen zwischen dem Geruch von konservierten Leichen und dem ihrer Beschauer.
    „Ich kann heute sowieso nicht mehr viel tun“, fährt Simatschek fort. „Wir können uns in Feldbach in einem Cafe treffen. Sie nehmen am besten die B 66 — ,Route 66‘, wenn Ihnen das was sagt —, fahren an unserem Schokoschlaraffenland vorbei, und in drei ..."
    „Und wie wär’s, wenn wir uns dort treffen?“, fällt mir ein. Dort wollte ich sowieso hin. Klingt nach einem guten Platz für eine konspirative Begegnung. Viele Leute von auswärts. Da fällt man nicht auf. Seltsam, irgendwie bin ich nervöser, als ich sein sollte.
    „Wunderbar, der Chef ist ein Freund von mir. Hoffentlich ist er da. Ziemlich beschäftigt, der Typ. — Sie lieben Schokolade?“
    „Dunkle“, murmle ich.
    „Habe ich mir gedacht.“
    Warum? Aber schon hat er das Thema gewechselt.
    Ich habe noch nie jemanden so viel Schokolade essen sehen. Rund um die Produktionsanlagen hat man tatsächlich eine Art von Erlebnisweg gebaut, man kann ihn entlangspazieren, durch Glasscheiben zusehen, wie Schokolade gemacht wird, und sie gleichzeitig kosten. Karl Simatschek probiert beinahe jede. „Man muss von süß nach bitter gehen“, erklärt er mir.
    Ich erspare mir das meiste, was nach Milchschokolade aussieht. Nur an der Schafmilchschokolade mit Chili kann ich nicht vorbei. „Die müssen Sie probieren“, rufe ich dem Gerichtsmediziner begeistert zu.
    „Hab mir gleich gedacht, dass Sie der Chilityp sind“, grinst er und steckt sich ein gar nicht kleines Stück Schafschokolade in den Mund.
    „Während Sie gerne Schokolade essen. Und zwar alle Sorten“, kontere ich.
    Ich bin übermütig wie bei einem Schulausflug. Und tatsächlich sind in diesem modernen Schlaraffenland gerade auch einige Kindergruppen unterwegs.
    „Hm. Messerscharf beobachtet. Ich glaube, ich brauche Schokolade als Gegengewicht zu meinen Toten.“
    Kann ich mir irgendwie vorstellen. Mit einem Mal erinnere ich mich, warum ich eigentlich hier bin. Ich wollte den Gerichtsmediziner nach den Details zum Mord an der Nonne fragen. Als wir die Schokowelt betreten haben, hat er abgeblockt. „Zuerst das Vergnügen ...“
    Simatschek sieht mich mit einem eigenartigen Blick an. Dann erst wird mir klar, was er annehmen muss. Ich werde rot und beginne herumzustottern: „Ähm, ich meine, ich hätte gerne einen Tipp für ein Privatzimmer oder ein Hotelzimmer.“
    Er entspannt sich. „Und ich dachte schon, ich hätte eine Journalistin mit vollem Körpereinsatz vor mir.“ Noch ein tiefer Blick. „Schade eigentlich. Aber doch besser so. Noch dazu, wo an mir so ein Totalangriff vergeblich wäre.“
    Penisamputation?
    „Ich bin stockschwul“, flüstert er mir zu.
    Darauf wäre ich bei ihm nie gekommen. Dass gerade die nettesten Männer ... Stopp, Mira: Dein nettester Mann ist Oskar. Und der ist zum Glück gar nicht schwul.
    „Also: Ich habe ein Gästezimmer und es ist total gefahrlos, es zu benutzen. - Andererseits: Vielleicht ist es besser, man kann mir keinen zu nahen Kontakt mit einer Journalistin aus der Hauptstadt nachsagen. Muss ja kein Körperkontakt sein. Ich habe eine andere Idee ...“
    Neben den Tirolern haben zwei Südländer Platz genommen. Sommerzeit. Die wunderbare Schokowelt ist zu einem Touristenmagnet geworden, und das nicht nur für die nähere Umgebung.
    Simatschek lässt sich die Flasche mit dem Gelben Muskateller geben. Ich habe nichts gegen ein weiteres Gläschen. Das Etikett kommt mir bekannt vor.
    „Der Weißwein beim ,Professors Dinner' war vom selben Winzer. Er war ...“
    „Nada“, sagt eine tiefe Stimme. Schon wieder etwas, das ich mit der ,Beauty Oasis‘ in Verbindung bringe. Kann es wirklich sein ... Ich schaue

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