Unterm Messer
Schönheitsoperation geht, werden sie das niemandem gern auf die Nase binden.“
„Und was, wenn sie jemanden umoperieren lassen wollen? Einen Verbrecher? Einen Drogenboss? Wir reden von El Salvador. Und von Arzneimitteln zu Drogen ist es nicht weit. Das würde auch zum Streit passen“, überlege ich. „Da war von ,Vertrag‘ die Rede und von einer .Operation“, die durchgeführt werden müsse.“
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Grünwald sich auf so etwas einlassen würde. Er verdient mit seiner Klinik eine Menge Geld, er hat so etwas nicht nötig. Außerdem: Er scheint einigermaßen seriös zu sein. Sagt auch Knobloch. Und der hat schon früher mit ihm zu tun gehabt.“
„Dann ist er vielleicht doch nicht so seriös“, gebe ich zu bedenken.
„Es gibt in der Schönheitschirurgie Patienten, die sind mit keiner Nase, die sie an sich sehen, zufrieden. Und die klagen dann“, erzählt der Gerichtsmediziner und schenkt uns nach.
„Er ist nie wegen eines Kunstfehlers verurteilt worden?“
„Ich glaube nicht, das hätte sich wohl herumgesprochen. Gestorben ist jedenfalls keiner. Sonst wär er bei mir gelandet. Grünwald betreibt übrigens selbst ein Labor und testet jede Substanz, die er verwendet, zuerst ganz genau. Das ist mehr, als andere tun, nehme ich an.“ „Vulkanländer halten zusammen“, spöttle ich.
„Ein paar schon. Aber der Grünwald gehört hier ohnehin nicht dazu.“
„Woher wissen Sie das mit dem Labor eigentlich? Mir hat er nichts davon erzählt. Ich meine vor der Störung unserer Beziehung durch die tote Nonne, als er noch sehr freundlich war zu der Journalistin, die vom ,Magazin‘ kam.“
„Von Knoblochs Leuten. Ich bin immer wieder bei ihren Sitzungen dabei. Grünwald wird nur vergessen haben, es zu erwähnen.“ „Kommt mir komisch vor. Der vergisst nichts, womit er sich brüsten kann“, widerspreche ich und riskiere noch einen Seitenblick auf die beiden aus El Salvador. Sie sind von ihren Hockern aufgestanden und gehen Richtung Ausgang. Sehen eigentlich ganz friedlich aus. „Wo soll das Labor denn sein?“
„Keine Ahnung. Das frühere Hotel hat jedenfalls weit mehr Zimmer gehabt als die ,Oasis‘. Und alle möglichen Tagungsräume. Da ist wohl Platz genug. — Also: Schauen wir zum Weingartenhäuschen?“
Ich sehe ihn irritiert an. „Weingartenhäuschen ...“
„Und da sagt man, Frauen seien multitaskingfähig“, spöttelt der Gerichtsmediziner. „Die Winzer, deren Wein wir gerade getrunken haben, vermieten ein Weingartenhäuschen. Sehr nett. Ich bringe immer wieder Bekannte dort unter.“
Ich muss ihn seltsam angesehen haben. „Oh du liebe Güte. Nicht was Sie denken. Gute Freunde.“
Da glaubt man, Homosexuellen aufgeklärt und vorurteilsfrei gegenüberzustehen, und dennoch ist mir sofort der idiotische Gedanke an Schwulenpartys und Sex in den Weingärten gekommen.
Eine schmale Schotterstraße führt den Weg hinauf. Das Häuschen liegt tatsächlich mitten in den Rebzeilen. Simatschek hat unterwegs bei den Winzern den Schlüssel geholt. Das da ist Idylle pur. Das exakte Gegenprogramm zur ,Beauty Oasis‘.
„Wunderbar!“, seufze ich glücklich, als er mir auch noch den Kühlschrank mit den Weinvorräten zeigt. Simatschek lächelt und schaut auf die Uhr. „Ich habe heute Abend leider eine Verabredung ... meine Eltern in Graz ...“
„Und Freund gibt es keinen?“, frage ich.
„Momentan nicht“, murmelt der Gerichtsmediziner. „Ich war sieben Jahre mit Ralf, einem Anwalt, zusammen. Wir haben uns auseinandergelebt. Ich will mich nicht vom Alltag einholen lassen. Und er liebt den Alltag. Und Sicherheit. Und seine Villa.“
Hm. Erinnert mich irgendwie an meinen Oskar. Aber auch wieder nicht. Warum er sich heute nicht bei mir gemeldet hat? Ungewöhnlich. „Ich bin mit einem Anwalt zusammen“, gestehe ich und füge ordnungsgemäß hinzu: „verheiratet.“ Dass ich immer wieder darauf vergesse ...
„Karl“, sagt der Gerichtsmediziner und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Wenn wir uns schon unsere Lebensgeschichten erzählen.“
„Mira“, antworte ich und küsse ihn zurück. „Und das Molerezept, das kriegst du noch. Oder noch besser: Ich mache Mole.“ In Wien? Ob er so viel Zeit hat? Man wird sehen.
Ich sitze am runden Holztisch vor dem Weingartenhäuschen und sehe der Sonne beim Untergehen zu. Ein Stück den Hügel abwärts ist ein Traktor unterwegs. Ich glaube, er mäht die Wiese. Ich habe eine Flasche Gelben Muskateller aufgemacht, mir
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