Unterm Messer
strauchle, stöhne auf, weiter. Ein eigenartiges Gefühl, auf Socken zu laufen. Schutzlos. Durch den Operationsraum, was, wenn sie mich finden? Wenn sie mich hier festbinden? Narkotisieren? Vielleicht geht es um illegalen Organhandel. Ich reiße die Tür zum Lagerraum auf, Gestank, ich falle gegen einen der Behälter im Regal, versuche, wieder auf die Beine zu kommen. Irgendetwas ruft, jemand sagt etwas, es wird übertönt vom Blut in meinen Ohren, meinen Schritten, sind es nur meine Schritte? Mir scheint, ich höre Gepiepse. Die Mäuse sind im Tresorraum. Aber warum eigentlich im Tresorraum? Das sind nicht meine Schritte, es sind andere, sie sind hinter mir. Sie kommen näher, ich habe mich wieder aufgerappelt, renne, die nächste Tür, der nächste Raum. Ich hab nicht mehr daran gedacht, dass er mit Kisten und Schachteln voll ist, ich renne mitten in einen Berg von Kartons, falle, raus hier, eine Hand auf meiner Schulter, ich schüttle sie panisch ab. So schnell kriegt ihr mich nicht. Was habt ihr mit Vesna gemacht? Mein Schlüssel samt Taschenlampe ist mir aus der Hand gefallen. Ich trete um mich, versuche gleichzeitig, den Schlüssel zu fassen. Er l utscht unter die Kartons. Nur ein schwacher Lichtschein unter der Pappe, dafür gleißendes Licht von hinten.
„Stopp“, keucht etwas. „Bin doch ich.“ Der Lichtkegel wandert zu Boden.
Ich drehe mich um und sehe ungläubig in das Gesicht von Vesna. Ich hocke auf den Kartons und sage matt: „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“
„Habe ich, du hast nicht gehört in Panik.“
„Du warst mehr als fünf Minuten weg. Und da waren Geräusche.“ „Das allerdings ist richtig“, erwidert Vesna. „War jemand oben. Wird warten. Wir müssen rauf. Könnte sonst noch wer gehört haben, war kurze Rauferei.“
Ich sehe sie gespannt an. „Was hast du mit ihm gemacht?“
„Mit ihr. Ist alte Nonne.“
„Schwester Gabriela?“, frage ich fassungslos.
„So hat sie gesagt, heißt sie.“
„Und du glaubst wirklich, die wird auf uns warten?“
„Habe sie angebunden. Zur Sicherheit. Sehr kräftig ist sie nicht.“ „Können wir die Turnschuhe holen?“, bitte ich.
„Du willst Spuren hinterlassen?“, fragt Vesna zurück.
Mein rechter Oberschenkel schmerzt, als wir erneut auf Socken durch die Räume eilen. Wir steigen in den Lift, fahren nach oben, als ob das ganz selbstverständlich wäre. Wir steigen aus und sind in einem kleinen Raum, der ursprünglich sicher nicht für einen Lift vorgesehen war. Erst jetzt sehe ich die Nonne. Vesna hat sie mit Klebeband an einen Stuhl gefesselt.
„Sie hat also die Wahrheit gesagt“, seufzt sie, als sie mich sieht, und ich habe Angst, dass sie gleich in Ohnmacht fällt.
„Mund ich habe ihr nicht zubinden müssen, ganz sicher sie will nicht, dass man sie rufen hört“, sagt Vesna geschäftig zu mir.
„Wo sind wir da?“, frage ich Schwester Gabriela.
„Zuerst soll mich Ihre seltsame Freundin losbinden. - Sie ist doch Ihre Freundin?“
Ich nicke.
Vesna geht zu ihr, die Nonne verzieht keine Miene, als das Klebeband gelöst wird.
„Was machen Sie hier?“, frage ich.
Die alte Nonne sieht uns für einen Moment an, als wüsste sie das auch nicht genau. „Ich könnte Sie Ähnliches fragen“, antwortet sie dann.
„Wir sind hier sicher? Oder kann es sein, dass da jemand kommt?“, will Vesna wissen. Offenbar hat sie den Eindruck, dass sich die Schwester in dieser Etage besser auskennt als wir. Und zu mir gewandt: „Im Nebenraum ist noch ein Labor, ist es kleiner. Ich nehme an, das ist es, was Inspektor gemeint hat. Türe hier herein ist mit beweglichem Regal verkleidet. Schwester hat großen Schreck gehabt, als ich in Laborraum gestanden bin.“
Schwester Gabriela nickt grimmig. „Kann man so sagen. Ich hatte keine Ahnung, dass es hinter dem Raum weitergeht.“
„Aber das offizielle Labor haben Sie gekannt“, rede ich weiter. Ich weiß nicht, wie lange wir uns hier noch aufhalten dürfen. Und ich weiß nicht, ob wir der Nonne trauen können. Was sollte sie hier mitten in der Nacht wollen, wenn nicht Spuren verwischen? Wenigstens ist sie uns körperlich unterlegen. Außer ... Vesna hatte sicher keine Zeit, sie nach Waffen zu durchsuchen.
„Es ist besser, wir gehen weg von hier“, flüstert die Nonne. „Ich weiß viel zu wenig, ich wollte nach etwas suchen, das die Polizei übersehen haben könnte. Ich habe bei Schwester Cordula den Namen einer ehemaligen Mitarbeiterin des Professors gefunden. Cordula
Weitere Kostenlose Bücher