Unterm Messer
könnte weitgehend verdampft und erst später wieder kondensiert sein. Ich muss noch herausfinden, wann Lavendel stärker riecht. Abgesehen davon waren wir gestern verständlicherweise abgelenkt.“ Die Nonne schlägt ein Kreuz. Ich kann mich gerade noch zurückhalten, um es ihr nicht gleichzutun. Warum eigentlich nicht? Nur weil Vesna spotten könnte? Ich schlage auch ein Kreuz und sehe Schwester Gabriela an. „Was schließen Sie aus dem Lavendelduft?“
„Ich weiß nicht. Ich denke mir: Unser Hildegard-Aufguss und Sauna. Das passt. Schwester Cordula war für die Rezepturen verantwortlich. Sie war zuständig für unsere Produkte. Es hat ihr sehr viel Freude gemacht, sie hat eine Menge Zeit investiert, um die Mittel laufend noch zu verbessern. Die Hildegard-Produkte waren wohl ein Grund, warum sie bei uns geblieben ist. Sie hat davon geträumt, die Serie auszuweiten, sie im Größeren herstellen zu lassen. Sorgsam und mit Respekt vor unserer Ordenspatronin. Aber das Wissen der heiligen Hildegard ist nicht geschützt. Es gibt genug, die in ihrem Namen produzieren, Gute und weniger Gute. Jedenfalls: Im Großen wären wir der Konkurrenz nicht gewachsen gewesen.“
„Wenn sie ein besonders gutes Rezept für diesen Aufguss entwickelt hat und eine kommerzielle Firma es haben wollte ...“, beginne ich zu überlegen.
Die Nonne schüttelt den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man jemand für eine verbesserte Lavendelaufgussrezeptur umbringt. Ganz abgesehen davon: Warum war sie nackt und in der Sauna?"
Da ist allerdings etwas dran. Ich versuche mich zu erinnern, was mit Kurt Simatschek erzählt hat. „Der Gerichtsmediziner meint, es könnte sein, dass sie betäubt worden ist und erst dann in die Sauna gelegt wurde.“
„Warum du erzählst nicht gleich?“, mischt sich Vesna ein.
„Und noch etwas: Sie war keine Jungfrau mehr.“
Die Nonne lächelt. „Nicht alle unsere Schwestern sind unberührt. Manche hat der Ruf erst später ereilt. Cordula hat Biologie studiert. - Oder wollen Sie damit sagen, dass sie erst vor Kurzem ... Sex gehabt hat?“
Ich schüttle den Kopf. „Das weiß man noch nicht. Bei diesen Todesumständen ...“
Schwester Gabriela nickt. „Ich kann mir vorstellen, dass da manches schwierig zu analysieren ist.“
„Was ist eigentlich mit der Familie von Schwester Cordula?“
„Ihr Vater ist tief erschüttert, ihre Mutter ist voriges Jahr an Krebs gestorben. Sie hat einen älteren Bruder, den wir noch nicht erreicht haben. Er ist Ingenieur auf einer Ölplattform in der Nordsee. Ich glaube nicht, dass ihr Ableben mit der Familie zu tun hat. Es ist gut drei Wochen her, sagt ihr Vater, dass sie miteinander telefoniert haben. Damals habe sie wie immer gewirkt.“
Schwester Gabriela hat noch einmal Tee aufgebrüht und noch eine Runde Schnaps eingeschenkt. Als wir ihr vom Labor im Keller erzählen, wirkt sie überrascht. „Ich habe auch nie etwas von diesem Lift mitbekommen. Und ich dachte, mir entgeht so gut wie gar nichts in diesem Haus.“
Ich habe eine Idee: „War Schwester Cordula im offiziellen Labor beschäftigt?“
„Nein, das war sie nicht. Sie hat Kranke gepflegt. Das ist auch unser eigentlicher Auftrag der Welt gegenüber. Zumindest hat sich unsere Klostergemeinschaft so entwickelt. Aber ...“, sie denkt einige Sekunden nach, „... sie hat immer wieder darum gebeten, etwas im Zusammenhang mit unseren Hildegard-Rezepturen analysieren zu dürfen. Und das wurde ihr auch gestattet.“
„Wer leitet das Labor? Der Professor?“, fragt Vesna.
„Ich glaube nicht, dass der viel davon versteht“, lächelt die Nonne. „Soviel ich weiß, ist es ein jüngerer Mann. Schilling heißt er. Er prüft diese Cremes und Nahrungsergänzungsmittel, produziert werden sie außerhalb, in einer kleinen Fabrik. Grünwald hat einen sehr gut gehenden Internethandel. Ich persönlich glaube ja nicht, dass Menschen Nahrungsergänzungsmittel brauchen, wenn sie sich klug ernähren.“ „Und warum ist das Labor nicht in der Fabrik?“, überlege ich. „Vielleicht weil sie auch für die ,Beauty Oasis‘ zugekaufte Produkte testen wollen. Angeblich nehmen sie auch immer wieder Proben von Botulinumtoxin und diesen Peelingsäuren. Der Professor möchte die Erzeugerfirmen kontrollieren, zum Wohle seiner Gäste, wie er sagt.“
Das hat jetzt eindeutig ein wenig spöttisch geklungen. „Sie glauben es aber nicht, oder?“
„Kann schon sein, dass er es hin und wieder tut. Aber ich glaube, es geht
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