Unterm Messer
gebraucht, weil sie verkümmerte Eierstöcke hatte.“
„Und woher ...“, fahre ich auf.
„Von unserem gemeinsamen Freund. Es ist ein Routinecheck: War die Tote schwanger? Verkümmerte Eierstöcke lassen sich auch in gegartem Zustand nachweisen. Nur damit Sie Ihre internationalen Verschwörungstheorien nicht allzu wild wuchern lassen: Kommen Sie mit!“
Ich steige aus. Bin nach der Sitzerei im kleinen Fiat richtig steif. Der Gerichtsmediziner sieht uns erstaunt an.
„Ist vielleicht pädagogisch heilsam“, erklärt ihm der Chefinspektor und fügt hinzu: „Ist es wahrscheinlich, dass Schwester Cordula Tampons besaß?“
Simatschek sieht uns irritiert an. „Sicher nicht, ihre Eierstöcke waren verkümmert. Warum
Knobloch packt mich am Ellbogen und geht mit mir in Richtung der Gestalt am Boden. Am Nachmittag war Schilling in einem adretten hellblauen Hemd unterwegs. Jetzt trägt er ein schwarzes T-Shirt. Auf der Brust hat es einen großen dunkelroten Fleck, sieht auf den ersten Blick aus wie eines dieser schrägen T-Shirts, die man im Internet bestellen kann. Nur das Messer stört. Es steckt dort, wo das Herz sitzt. Langsam sehe ich weiter nach oben, in sein Gesicht. Zwischen Nasen- und Haaransatz ist etwas. Im ersten Moment denke ich an ein missglücktes Facelifting. Dann schaue ich genauer hin. In seine Stirn hat jemand ein Kreuz geritzt. Blut.
„Ritualmord“, flüstere ich.
„Wir werden keine voreiligen Schlüsse ziehen“, murmelt Knobloch.
„Aber wie hätte es der alten Nonne gelingen können, den viel kräftigeren Schilling zu erstechen?“
„Das herauszufinden ist in erster Linie seine Aufgabe“, erwidert der Chefinspektor und deutet auf den Gerichtsmediziner hinter uns. „Die meisten Kapitalverbrechen werden im Kreis der Familie begangen. Könnte sein, dass das hier, sozusagen im erweiterten Sinn, nicht anders gewesen ist.“
„Brauchen Sie mich noch?“, frage ich.
Der Chefinspektor schüttelt den Kopf. „Ich kann Sie ja erreichen. - Und nur falls Sie auf die Idee kommen, noch heute Nacht mit der Nonne ein Interview zu machen: Zwei von unseren Leuten sind bei ihr.“
Natalie Veith. Warum ist er an ihr so gar nicht interessiert? Immerhin war sie vor fünf Jahren die Geliebte von Schilling. Immerhin gab es diesen Prozess. Immerhin haben sie gemeinsam zu genetischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung geforscht, auch in diesem plötzlich verschwundenen Geheimlabor. Andererseits: Ich kann mir sehr schwer vorstellen, dass die Genetikerin kommt, Schilling ersticht und ihm ein Kreuz in die Stirn ritzt. Doch abgesehen davon: Befragen wird man sie jedenfalls, da bin ich sicher. Warum hat Schwester Gabriela uns die Sache mit dem Zettel erzählt? Wo hat sie ihn wirklich gefunden? Oder gab es ihn nie? Sollten wir auf die falsche Spur ... Ich werde es heute Nacht nicht mehr klären.
„Und wie soll ich jetzt heim?“, frage ich.
„Wenn du noch ein wenig wartest, nehme ich dich mit. Die Leute mit dem Sarg sind schon unterwegs. Dann reicht es, wenn ich morgen weitermache“, murmelt Simatschek.
Knobloch sieht uns belustigt an. „So gut kennt ihr euch also schon?“
Simatschek nimmt die weiße Haube ab, sieht mit einem Mal viel netter aus. „War ich andersrum, ich könnte mich in sie verlieben.“ Er grinst.
Und diesmal übernachte ich tatsächlich im Gästezimmer des Gerichtsmediziners. Ich bin heilfroh, nicht im Winzerhaus schlafen zu müssen. Auch wenn alles darauf hindeutet, dass anstelle eines nächtlichen Besuchers nur der Sonnenschirm auf mich gewartet hat. Als ich in der Früh aufwache, riecht es nach Speck. Ich brauche einige Momente, um zu begreifen, wo ich bin. Der Laborchef mit dem Kreuz am Hirn. Warum kann ich trotzdem nicht glauben, dass Schwester Gabriela ihn auf dem Gewissen hat? Eigentlich aus einem ganz einfachen Grund: Sie hat nicht so gewirkt, als hielte sie allzu viel von unverrückbaren Dogmen. Sie ist nicht der Typ „Nonne als Racheengel“. Ich suche nach etwas, das ich mir Überwerfen kann, und überlege, wo das Badezimmer ist. Es klopft. „Badezimmer links, zweite Tür, du hast eine Viertelstunde Zeit, dann gibt’s Frühstück. Um neun muss ich fort.“
Klingt nach fröhlichem Urlaubstag. Dabei weiß ich, was auf Karl Simatschek wartet. — Ob das Messer noch immer in der Brust von Schilling steckt?
Der Gerichtsmediziner ist ein Morgenmensch. Er sei schon laufen gewesen, erzählt er mir. Das putze den Kopf durch. Und: Ein kräftiges Frühstück sei nicht nur
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